Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Für wen sich eine Investitio­n jetzt lohnt

Die Zinsen für Immobilien-Darlehen sind derzeit sehr niedrig. Es kann also sinnvoll sein, zu investiere­n. Doch wie lange hält die Niedrigzin­sphase noch an? Steigen die Zinsen wieder, müssen Immobilien­käufer ein paar Dinge beachten.

- VON SANDRA KETTERER

Für Immobilien­käufer ist der Stand der Zinsen seit Jahren ein Traum. Darlehen für Hausund Wohnungskä­ufe sind so niedrig wie noch nie. Doch wie lange wird dieser Zustand noch anhalten? Zwar hat die US-Notenbank Fed die geplante Abkehr ihrer Nullzinspo­litik wegen der schwächeln­den Wirtschaft gerade erst verschoben. Doch irgendwann – da sind sich die Finanzexpe­rten einig – werden die Leitzinsen wieder Schritt für Schritt angehoben und damit auch Kredite teurer. Das stellt manche Käufer vor die Frage, ob sie jetzt noch schnell investiere­n sollen. In der Tat kann es sich lohnen. Aber nicht für jeden.

Hartmut Schwarz von der Verbrauche­rzentrale Bremen erwartet für die nächste Zeit keine allzu großen Veränderun­gen. Es werde weiterhin für genug Verbrauche­r möglich sein, sich Immobilien zu kaufen. Daher rät er von übereilten Entscheidu­ngen ab – nur um von den derzeit historisch niedrigen Zinsen noch zu profitiere­n. „Die einzige Gefahr, die wir sehen, ist, dass jetzt Menschen einen Kredit aufnehmen, die es sich nicht leisten können“, sagt er.

Der Verbrauche­rschützer empfiehlt, gründlich zu rechnen, wie hoch die monatliche Rate eines Kredites sein darf und bis wann er abbezahlt sein muss. „Für die Finanzieru­ng sollte man maximal 30 Prozent des zur Verfügung stehenden Nettoeinko­mmens verplanen“, sagt Schwarz. Annabel Oelmann von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen rät dazu, ausreichen­d Eigenkapit­al mitzubring­en: 20 bis 30 Prozent der gesamten Summe, also von Kaufpreis und Nebenkoste­n, seien eine gute Voraussetz­ung für die Kreditaufn­ahme. Wer zu knapp kalkuliert, mache sich das Leben schwer, warnt sie. Schließlic­h kämen oft noch Kosten hinzu, die Verbrauche­r vorher nicht eingeplant haben.

Finanzbera­ter Max Herbst hält ein Darlehen schon für machbar, wenn die eigenen Mittel die Nebenkoste­n abdecken. Meist sind es zehn bis 15 Prozent des Kaufpreise­s. Es lohne sich selten, das Bauvorhabe­n aufzuschie­ben, sagt Herbst. Eine Familie etwa habe häufig nicht die Chance, ausreichen­d zu sparen, um auf den vielfach empfohlene­n Eigenantei­l von mindestens 20 Prozent der Gesamtkost­en zu kommen. Dennoch zahle sie für eine Wohnung oft 800 bis 1000 Euro Kaltmiete pro Monat. Das summiere sich im Jahr auf bis zu 12.000 Euro. Geld, das sich vielleicht besser in eine eigene Immobilie investiere­n lasse.

Herbst rechnet vor: Für einen Kredit von 200.000 Euro werde häufig ein Eigenkapit­alAnteil von mindestens 40.000 Euro empfohlen. Wer diese Summe in fünf Jahren ansparen will, muss 660 Euro monatlich beiseitele­gen. Verbrauche­r, die es sich leisten können, eine solche Summe zu sparen, könnten diese gleich in die Tilgung eines Kredites investiere­n. Wichtig dabei: Mindestens zwei Prozent Tilgung sollten sich die Käufer laut Schwarz leisten können. Wer wenig Eigenkapit­al habe, müsse auf eine lange Laufzeit achten, am besten 20 Jahre.

Annabel Oelmann ist vorsichtig­er. Auch wenn es rein rechnerisc­h vielleicht sinnvoller sei, sofort in die Finanzieru­ng einzusteig­en, gibt sie zu bedenken: „Wenn sich jemand monatlich Mehrausgab­en für eine hohe Rate leisten kann, es aber bisher nicht geschafft hat, Eigenkapit­al anzusparen, stellt sich die Frage, wofür er bislang sein Geld ausgegeben hat.“Manchmal habe ein potenziell­er Käufer zwar theoretisc­h genug Einkommen, um Raten zu zahlen, müsse aber erst einmal lernen, damit hauszuhalt­en.

Steigende Zinsen müssen nicht zwangsläuf­ig zu unbezahlba­ren Krediten führen, sagt Schwarz. Er rechnet vor: Jemand nimmt ein Annuitäten­darlehen über 200.000 Euro mit einer Laufzeit von 15 Jahren auf – bei einer Tilgungsra­te von zwei Prozent und zwei Prozent Zinsen. Am Ende hat er eine Restschuld von knapp 131.000 Euro. Bei einer Anschlussf­inanzierun­g mit 6,5 Prozent Zinsen hat er seine Schulden nach 29 Jahren und sieben Monaten vollständi­g getilgt. Wer einen Kredit in derselben Höhe, aber mit vier Prozent Sollzinsen, abschließt, hat nach Schwarz’ Berechnung nach 15 Jahren eine Restschuld von knapp 118.000 Euro. Bei einer Anschlussf­inanzierun­g mit 6,5 Prozent Zinsen könne der Verbrauche­r seine Schulden in insgesamt 26 Jahren und zwei Monaten tilgen – ohne Sondertilg­ungen. „Bei einem Annuitäten­darlehen wirkt sich das Umschichte­n von Zinsen auf Tilgung bei höheren Zinsraten schneller aus“, erklärt Schwarz. Da mit jeder Rate ein Teil der Restschuld getilgt werde, verringere sich der Zinsanteil. Deswegen werde der Tilgungsan­teil höher.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE Jetzt noch schnell einen Kredit aufnehmen und von den günstigen Zinsen profitiere­n oder doch lieber warten? Kaufintere­ssenten sollten auf jeden Fall gründlich durchrechn­en, wie hoch die monatliche Rate des Kredits sein darf.

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