Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Merkel schließt höhere Steuern aus
Vizekanzler Sigmar Gabriel rechnet für dieses Jahr mit einer Million Flüchtlingen. Die Regierung bereitet sich darauf vor, durch Transitzonen an den Grenzen die Abschiebung zu beschleunigen.
BERLIN/DÜSSELDORF (brö/hüw/jd) Zur Finanzierung der Flüchtlingsausgaben soll es keine Anhebung der Mehrwertsteuer oder einen ähnlichen Steueraufschlag geben. Das hat Kanzlerin Angela Merkel in einem „Bild“-Interview versichert. Zuvor war über solche Maßnahmen spekuliert worden. Zugleich bekräftigte die Kanzlerin, dass in den Erstaufnahme-Einrichtungen künftig von Bargeldauszahlungen verstärkt zu Sachleistungen gewechselt werde, um „Fehlanreize“zu vermeiden.
Über die Verschärfung des Asylrechts soll am Mittwoch im Bundestag abgestimmt werden. In einer Stellungnahme für die vorbereitende Ausschusssitzung heute in Berlin kritisieren die Kirchen, dass sich die Lage der Asylbewerber dadurch erheblich verschlechtern werde. Die Arbeitgeberverbände fordern ein Ende des Verbots, Flüchtlinge in der Zeitarbeit zu beschäftigen.
Die CDU-Führung will heute offenbar die Einführung spezieller Transitzonen an den Grenzen beschließen, aus denen Asylbewerber ohne Aussicht auf Bleiberecht rasch abgeschoben werden können. Solche Zonen könnten vernünftig sein, sagte Kanzleramtschef Peter Alt- maier (CDU). Auch Innenminister Thomas de Maizière sprach sich dafür aus. „Es geht mir um schnelle Verfahren für Asylbewerber, deren Antrag offensichtlich unbegründet ist“, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion. Diese Personen müssten dann bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens in Einrichtungen an der Grenze bleiben. Nach wenigen Stunden oder Tagen könnten sie direkt in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden. „Dieses Verfahren sieht eine EU-Richtlinie ausdrücklich vor“, betonte de Maizière. Zu diesem Vorschlag gebe es viel Zustimmung, „interessanterweise nicht nur aus meiner Partei“. Auch die CSU hatte dies gefordert.
Unterdessen geht der Streit um die Klageandrohung des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer weiter. Der CSU-Chef hatte angekündigt, notfalls das Bundesverfassungsgericht anzurufen, um den Zuzug von Flüchtlingen zu stoppen. Er sprach von „Notwehr“Maßnahmen. SPD-Chef Sigmar Gabriel, der in diesem Jahr mit mehr als einer Million Flüchtlingen rechnet, warf ihm Panikmache vor. Merkels Beteuerung „Wir schaffen das“und Seehofers „Grenzen dicht“sei- en die falschen Alternativen und Ausdruck von Hilflosigkeit, sagte Gabriel bei einem SPD-Kongress in Mainz. Seehofer betonte in der „Welt am Sonntag“, SPD-Regierungschefs dächten wie er: „Der jetzige Zuzug überfordert uns. Es sind zu viele. Es fehlen Maß und Ziel.“Er bekräftigte seine Kritik an Merkels Politik: Es handle sich um „Denkschulen, die sich gegenüberstehen“. Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sagte, wer wie Seehofer glaube, „mit ein paar Grenzkontrollen und verstärkten Rückführungen Bayern einzäunen zu können, hat das Ausmaß der Krise im Nahen Osten nicht verstanden“.
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sprach sich indirekt für eine Obergrenze aus: „Sicherlich können wir nicht unbegrenzt Menschen bei uns aufnehmen“, sagte die SPD-Landesvorsitzende unserer Redaktion. Wichtig sei, die Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen.
Die griechische Küstenwache rettete am Wochenende wieder über 2000 Menschen aus Seenot; Hunderten Flüchtlingen gelang es, ohne Hilfe an Land zu kommen.
Unterdessen gibt es in der NRWCDU Streit über die Integrationspolitik. Der Vorsitzende des Bezirksverbands Niederrhein, InnenStaatssekretär Günter Krings, ist gegen das von Landeschef Armin Laschet geforderte Einwanderungsgesetz. Es sei zu befürchten, dass dann Menschen „auch in die Arbeitslosigkeit in Deutschland zuwandern dürfen“, so Krings zum „Spiegel“. Leitartikel Politik