Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Blutiger Terror in Ankara – IS unter Verdacht
Mindestens 95 Menschen sterben bei einem Bombenanschlag. Das Attentat verschärft die innenpolitische Krise der Türkei.
ANKARA/DAMASKUS (RP) Drei Wochen vor der Parlamentswahl hat der bislang schwerste Anschlag in der Geschichte des Landes die Türkei erschüttert. Bei einem Bombenattentat auf eine regierungskritische Friedensdemonstration im Zentrum der Hauptstadt Ankara wurden am Samstag mindestens 95 Menschen getötet; die pro-kurdische Oppositionspartei HDP, die sich als Ziel des Anschlags sieht, sprach sogar von mindestens 122 Todesopfern. Mehr als 500 Menschen seien verletzt worden.
Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte, der Anschlag sei wahrscheinlich von zwei Selbstmordattentätern verübt worden. Davutoglu nannte als mögliche Urheber die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS), die PKK und zwei linksextremistische Terrorgruppen. Türkische Medien berichteten, die Ermittlungen konzentrierten sich auf den IS; verschiedene Experten äußerten sich ähnlich. Präsident Recep Tayyip Erdogan versprach eine Aufklärung des Anschlags. Das Auswärtige Amt riet Bundesbürgern, das Zentrum von Ankara zu meiden.
Das Attentat verschärft die innenpolitische Krise des Landes. Der CoVorsitzende der HDP, Selahattin Demirtas, nannte die Tat einen „Angriff des Staates auf das Volk“. In Ankara gedachten gestern Tausende der Opfer und beschimpften Staatspräsident Erdogan als Mörder, weil sie ihn für die Tat verantwortlich machen. In Istanbul hatten bereits am Samstag mehrere Tausend Menschen gegen die Regierung demonstriert. In Sprechchören wurde die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu Vergeltung aufgefordert. Auch in Deutschland gingen Kurden und Sympathisanten auf die Straße. Die größte Kundgebung gab es in Stuttgart mit 5000 Teilnehmern.
Die Türkei ist bereits von mehreren Anschlägen erschüttert worden, die Extremisten aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien verübt haben sollen. Die instabile Lage ist auch ein Problem für die europäischen Staaten – der Nato-Partner Türkei soll der EU eigentlich dabei helfen, weniger Flüchtlinge nach Europa kommen zu lassen. In der Türkei leben mehr als zwei Millionen syrische Flüchtlinge.
In Syrien gelang es der Armee von Machthaber Baschar al Assad nach eigenen Angaben, Geländegewinne gegen den IS zu erzielen. Die Islamisten seien aus zwei strategisch wichtigen Orten in der zentralen Provinz Hama vertrieben worden. Die irakische Luftwaffe griff nach Angaben des Staatsfernsehens den Konvoi des IS-Anführers Abu Bakr al Bagdadi an. Der „Kalif“befand sich demnach auf dem Weg zu einem Treffen mit anderen IS-Mitgliedern im Westen des Landes. Nach Angaben von Augenzeugen überlebte Bagdadi die Attacke. Leitartikel Stimme desWestens