Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Löw-Team quält sich nach Frankreich
Thomas Müller und Max Kruse erzielen die Tore beim mühevollen 2:1-Sieg gegen Georgien. Erneut gehen die Gastgeber sehr großzügig mit ihren Chancen um. Sie haben auch Glück, dass Torhüter Neuer in einigen Szenen hellwach ist.
LEIPZIG Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Fußballprofi mit dem Präsident eines Verbands in einer Mannschaft gespielt hat. Für Manuel Neuer war gestern so ein Tag. Der deutsche Torwart war beim FC Schalke 04 Mannschaftskollege von Levan Kobiashvili, der gestern als ranghöchster Funktionär seines Landes die Nationalelf von Georgien zum letzten Gruppenspiel in der EM-Qualifikation nach Leipzig begleitete. Er hat das wahrscheinlich längere Zeit genossen, weil sein Team die Begegnung offen halten
Die deutsche Mannschaft machte im Zweifel immer
einen Kringel zu viel
konnte. Am Ende aber löste der große Favorit Deutschland das Ticket für die EM-Endrunde 2016 in Frankreich mit dem 2:1-Sieg.
„Das ist nicht unser Standard, wie wir gespielt haben“, sagte Bundestrainer Joachim Löw. Seine Mannschaft machte zunächst mal genau da weiter, wo sie in Irland aufgehört hatte. Sie verschleuderte erstklassige Torgelegenheiten. Dabei tat sich der Dortmunder Angreifer Marco Reus besonders hervor. Er hatte in der ersten Halbzeit drei Chancen, und er brachte dabei das Kunststück fertig bei der besten Gelegenheit den Ball freistehend vor dem Tor in den Nachthimmel zu jagen.
Damit verpasste er gleichzeitig die Möglichkeit, seiner Mannschaft früh die nervliche Anspannung zu nehmen. Sie war das klar bessere Team, sie kombinierte auch nicht schlecht, aber ihr Abschluss stimmte einfach nicht. Mal wurde ein Kringel zu viel gedreht, mal stand Torwart Nukri Revishvili im Weg, mal kam der berühmte letzte Pass nicht an. Und dann musste der deutsche Schlussmann Manuel Neuer schon sein ganzes Talent aufbieten, um den Schuss von Tornike Okriashvili zur Ecke zu lenken.
Das Publikum verlor schnell die Geduld, weil es ein lockeres Scheibenschießen erwartet hatte. Es schickte den Weltmeister mit Pfiffen in die Kabine. Dort wird sich die Überzeugung durchgesetzt haben, dass die Angriffe mit mehr Nachdruck zu Ende gespielt werden mussten. Bei der überfälligen Führung half der Gast kräftig mit. Jaba Kankava zog England-Legionär Mesut Özil im Strafraum das Standbein weg, und Thomas Müller verwandelte den Elfmeter in gewohnter Sicherheit zum 1:0.
Da wähnte sich Löws Team bereits am Ziel. Das Gefühl hielt allerdings nicht lange. Kankava traf mit einem sehenswerten Volleyschuss von der Strafraumgrenze zum Aus- gleich. Die Aufteilung der deutschen Abwehr ließ arg zu wünschen übrig.
Am Spielgeschehen änderte sich wenig. Die deutsche Mannschaft machte im Zweifel einen Kringel zu viel, und Georgien, das gelegentlich das Tempo herausnahm, blieb bei den wenigen Gegenangriffen erstaunlich gefährlich. Neuer vereitelte die Führung der Gäste gleich mehrmals mit glänzenden Paraden.
Mit zunehmender Spieldauer wurde den Deutschen offenbar bewusst, auf welch schmalem Grat sie wandelten. Sie wirkten ängstlicher, attackierten die Georgier nicht mehr wie in der ersten Phase der Begegnung. Die klaren Chancen wurden seltener. Und Georgien wuchs an seiner Aufgabe. Das erinnerte fatal an das Spiel in Irland. Anders als die Iren versuchten sich die Georgier mit spielerischen Mitteln zu verteidigen. Manchmal gelang das ganz erstaunlich gut.
Löws Team machte es der georgischen Abwehr häufig ziemlich leicht, wenn es mit furchtbar kleingestrickten Kombinationen durch die Mitte kam, in der sich die deutschen Offensivkräfte oft selbst im Weg standen. Geradlinige Abschlüsse waren Mangelware. Deshalb wurde das Spiel nicht nur wegen der Temperaturen im niedrigen einstelligen Bereich eine echte Zitterpartie. Das hatte sich Löws Mannschaft durch ihre schludrige Chancenverwertung in der ersten Halbzeit selbst zuzuschreiben. Im eher ratlosen Spiel um den zugeparkten Strafraum fand sie keine Tiefe, weil André Schürrle als zentraler Stürmer nie die richtigen Wege lief. Viel zu spät wurde er durch Max Kruse ersetzt. Und der erlöste sein Team mit dem Treffer zum 2:1.