Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ballett am Rhein tanzt durch die Geschichte
In „b.25“zeigt Martin Schläpfers Kompanie Choreografien von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart.
DÜSSELDORF So viel Unschuld war lange nicht mehr: In antik anmutenden, weißen Kostümen tanzen drei Paare in perfekter Harmonie. Meist bilden sie symmetrische, synchron getanzte Figuren – zeigen zu César Francks „Variations symphoniques“für Klavier und Orchester klassische Posen in immer neuer Variation. Das ist höchst anspruchsvoll in seiner Durchsichtigkeit, seiner Reinheit und Grazie. Ein Ringelrein der Kinder des Olymp. Doch muss man den Krieg mitdenken bei diesem Werk, sonst nimmt man es zu leicht. Der Brite Frederick Ashton (19041988) hat es gleich nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen und 1946 in London uraufgeführt. Als apollinisches Frühlingsfest gegen die zerstörerischen Kräfte des Krieges, als trotzige Selbstbehauptung der Kunst. Als könne der Tanz das Gute im Menschen, seine Fähigkeit zu Anmut und Harmonie in dunklen Zeiten bewahren.
In „b.25“schickt Martin Schläpfer das Ballett am Rhein auf Zeitreise. Diesmal hat er selbst keine neue Choreografie geschaffen, sondern erkundet mit seiner Kompanie die historische Basis seiner Arbeit. Den Auftakt überlässt er einem Modernen, der längst zum Kanon zählt: William Forsythe. Der langjährige Chef des Frankfurter Balletts gehört zu jenen analytischen Erneuerern, die das Strukturelle des Tanzes hervorkehren, und so hat er auch mit „Workwithinwork“, 1998 in Frankfurt uraufgeführt, eine Choreografie geschaffen, in der er das klassische Bewegungsrepertoire zerlegt und neu montiert. Mit abgewinkelten Füßen in Spitzenschuhen, mit raffinierten Figuren, in denen sich die Tänzer verschlingen, lässt er aus dem alten Material eine neue Tanzsprache wuchern. Das wirkt bizarr im Detail und ist zugleich mit eigener Eleganz beständig im Fluss. Pendelnd, repetierend, manchmal attackierend entfaltet das beträchtlichen Sog auf den Zuschauer.
Da ist es nur ein Schritt bis zu Hans van Manen. Das Ballett am Rhein hat einige Arbeiten des Nie- derländers im Repertoire. Diesmal hat Martin Schläpfer den 83-Jährigen eingeladen, seine „Two Gold Variations“zu Musik des Zeitgenossen Jacob Ter Veldhuis einzustudieren. Die Arbeit ist 1999 entstanden, fand aber wenig Widerhall. Das mag an der scheinbaren Plakativität dieser Arbeit liegen. Van Manen leitet die Impulse aus dem Concerto für Schlagzeug direkt in die Körper der Tänzer. Die werfen die Arme, spreizen die Finger, das ist effektvoll, expressiv, große Show. Dem setzt van Manen einen konzentrierten, höchst spannungsvollen Pas de deux entgegen, den Marlúcia do Amaral und Alexandre Simoes mit großer Sinnlichkeit gestalten.
Die Düsseldorfer Symphoniker unter Wen-Pin Chien werfen sich frisch in die unbekümmert effekthascherische Musik von Ter Veldhuis. Zuvor waren sie respektvolle Begleiter der Pianistin Cécile Tallec, die Francks Variationen duftig, nicht parfümiert darbot. So konnte ein Abend gelingen, der höchst unterschiedliche Werke versammelt und dem Ballett am Rhein größte Wandlungsfähigkeit abverlangt.