Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Jeder Achte braucht Hilfe zum Leben

Die Sozialleis­tungen steigen, obwohl immer weniger Menschen arbeitslos sind.

- VON ANDREAS GRUHN

NEUSS Die Wirtschaft in Neuss boomt und mit ihr der Arbeitsmar­kt – aber immer mehr Menschen bekommen davon nichts mit. Die Zahl der Neusser, die auf die Zahlung von Mindestsic­herungslei­stungen wie Arbeitslos­engeld II („Hartz IV“) angewiesen sind, um ihren Lebensunte­rhalt zu bestreiten, ist erneut gewachsen. Zum Jahresende 2014 brauchten fast 19.000 Menschen im Stadtgebie­t Arbeitslos­engeld II oder andere Sozialleis­tungen wie Grundsiche­rung im Alter, um über die Runden zu kommen. Im Jahr 2013 waren es noch 400 Menschen weniger gewesen (Zuwachs: 2,5 Prozent), und im 2011 waren es etwa 17.600 Empfänger. Das geht aus einer Aufstellun­g des statistisc­hen Landesamte­s IT.NRW hervor.

Etwa jeder achte Neusser braucht demnach Geld vom Jobcenter oder vom Sozialamt zum Leben. Und das, obwohl die Arbeitslos­enquote in der Stadt seit vielen Monaten in den Keller rauscht (aktuell 8,0 Prozent) und das Niveau der sozialvers­icherungsp­flichtigen Arbeitsplä­tze in der Stadt auf einem Rekordnive­au liegt: 66.133 Menschen haben einen solchen Arbeitspla­tz, 4000 mehr als noch vor zwei Jahren.

„Das ist keine gute Entwicklun­g, aber sie wird so weitergehe­n“, ahnt Politikeri­n Susanne Benary-Höck (Grüne). Sie hat dafür eine Erklärung: „Viele brauchen Geld zusätzlich, weil der Lohn nicht ausreicht“, sagt die Stadtveror­dnete. Gut 16.000 Menschen in Neuss bekommen entweder Arbeitslos­engeld II oder den Zuschuss vom Jobcenter zum Gehalt. Wendeline Gilles, Leiterin des Jobcenters, sagt: „Die Chance, Arbeitslos­igkeit durch Aufnahme einer Beschäftig­ung zu beenden, hat sich zuletzt erhöht. Menschen, die gering qualifizie­rt und langzeitar­beitslos sind, haben allerdings immer größere Probleme, Arbeit zu finden.“

Auffällig ist aber auch, dass bei immer mehr Menschen die Rente nicht mehr ausreicht zum Leben. 2336 Neusser brauchten im vergangene­n Jahr Grundsiche­rung im Alter, ein Zuwachs von 3,7 Prozent. „Altersarmu­t nimmt gerade bei Frauen zu, weil sie sich früher nicht um ihre Erwerbsbio­graphie gekümmert haben“, sagt Benary-Höck. Das ist zwar ein landesweit­es Phänomen, dennoch könne auch vor Ort einiges getan werden, um die Situation zu bewältigen.

„Wir brauchen mehr bezahlbare­n Wohnraum in der Stadt, weil es selbst mit Wohnberech­tigungssch­ein oft schwer ist, eine Wohnung zu beklommen“, sagt Susanne Benary-Höck. „Und wir brauchen eine noch bessere Versorgung mit KitaPlätze­n in der Stadt, damit Frauen ohne Probleme arbeiten gehen und so für die Rente wirtschaft­en können.“

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