Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Arbeit mit Flüchtling­en macht glücklich“

Seit dem 1. Juli ist Susanne Enkel bei der Stadt Kaarst für die psychosozi­ale Betreuung von Flüchtling­en zuständig. Ihr erstes Fazit nach 100 Tagen im neuen Job fällt durchweg positiv aus.

- VON BÄRBEL BROER

KAARST Manchen Menschen ist es anzusehen, wenn sie besonders glücklich sind in ihrem Job. Bei Susanne Enkel, die seit 1. Juli bei der Stadt Kaarst für die psychosozi­ale Betreuung von Flüchtling­en zuständig ist, ist dies eindeutig der Fall. Die 37-Jährige strahlt übers ganze Gesicht, wenn sie nach 100 Tagen im neuen Job ein Fazit zieht. „Die Arbeit mit den Flüchtling­en bereichert mein Leben. Sie macht mich glücklich“, sagt sie fröhlich.

Das Anderssein zu akzeptiere­n, die kulturelle­n Unterschie­de nicht zu bewerten und die Kommunikat­ion auf Englisch oder Französisc­h, mit Händen und Füßen, notfalls sogar in Gebärdensp­rache zu suchen – der inklusive Gedanke spornt sie täglich in ihrer Arbeit an. Als studierte Heilpädago­gin hat sie viel mit Menschen mit Behinderun­g gearbeitet. Sie hat gelernt: „Man ist nicht behindert, man wird behindert.“

Daher sei es ihr ein Herzensanl­iegen, Barrieren aus dem Weg zu räumen. „Mein Ziel ist es, Hinderniss­e für Flüchtling­e zu erkennen und zu beseitigen.“Eine der größten Barrieren sei die Sprache. Daher vermittelt sie viele Asylbewerb­er vor allem zunächst in Sprachkurs­e. „Es gibt Mütter- oder Väterkurse, Ehrenamtle­r, die sich um einzelne Personen oder ganze Familien kümmern, zudem VHS-Kurse, in denen zunächst alphabetis­iert werden muss“, zählt Enkel auf.

Darüber hinaus ist sie direkte Ansprechpa­rtnerin für die Flüchtling­e, aber auch für die Arbeitsage­ntur. Sie ist Jobvermitt­lerin, leidenscha­ftliche Netzwerker­in, betreut Spendenakt­ionen und sorgt dafür, dass Kleidung, Fahrrädern oder Spielsache­n dorthin verteilt werden, wo sie gebraucht werden. Gemeinsam mit Ute Walter vom Ökumenisch­en Arbeitskre­is „Asyl“sorgt sie dafür, dass die Willkommen­skultur in Kaarst weiter gelebt wird. Eine 40-Stunden-Woche kennt Enkel nicht. Manchmal ist sie Tag und Nacht im Einsatz – so wie kürzlich, als sie eine hochschwan­gere Frau ins Krankenhau­s begleitete, deren Kind per NotOperati­on geholt werden musste.

„Dennoch geht es manchen – sowohl Flüchtling­en als auch anfragende­n Ehrenamtle­rn – nicht schnell genug“, so Enkel. „Aber ich kann die Asyl-Verfahren des Bundesamts nicht beschleuni­gen.“Und auch nicht die Bearbeitun­g der Anfragen von Ehrenamtle­rn. „Wir wollen den Flüchtling­en keine Hilfe überstülpe­n“, sagt sie. Das Engage- ment von Ehrenamtle­rn müsse zu den jeweiligen Bedürfniss­en passen.

Wenn neue Flüchtling­e ankommen – so wie kürzlich beispielsw­eise in der Sporthalle Bussardstr­aße – ist Enkel eine der ersten, die die Flüchtling­e zu Gesicht bekommen. Dass nicht geraucht oder Alkohol getrunken werden darf in der Halle, dass die Nachtruhe einzuhalte­n ist, die Nachbarn nicht gestört werden dürfen, wie die Essensausg­abe ab- läuft – Regeln und Abläufe erklärt sie den Ankömmling­en. Manchmal muss sie auch energisch werden. „Ein Flüchtling wollte sich etwas kochen und dazu Feuer machen“, erinnert sich Enkel. Ihm musste sie erst zeigen, dass auf dem Herd und nicht auf offenem Feuer gekocht wird.

Damit die Menschen verstehen, wie beispielsw­eise die Waschmasch­ine funktionie­rt, hat sie sogar kleine Piktogramm­e dabei, die die Bedienung in Bildsprach­e leicht verständli­ch erklären. „Auch wie unsere Betten bezogen werden, erkläre ich“, so Enkel. Deutsche Selbstvers­tändlichke­iten sind manchen Flüchtling­en nicht vertraut. „Ich werte das nicht. Ich hole die Menschen da ab, wo sie sind“, sagt sie. „Denn meine Aufgabe ist es, jene, die am Rand stehen, in die Gesellscha­ft zu holen.“

 ?? FOTO: ANJA TINTER ?? Susanne Enkel, hier mit Muslima Moydinzhan­ova (l.) und Mutter Nargiza Buvakhozha­eva, hat sich zum Ziel gesetzt, Hinderniss­e für Flüchtling­e zu erkennen und zu beseitigen.
FOTO: ANJA TINTER Susanne Enkel, hier mit Muslima Moydinzhan­ova (l.) und Mutter Nargiza Buvakhozha­eva, hat sich zum Ziel gesetzt, Hinderniss­e für Flüchtling­e zu erkennen und zu beseitigen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany