Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

TVK ist im Lokalduell der gefühlte Sieger

Handball-Drittligis­t Neusser HV bleibt auch nach dem Trainerwec­hsel spielerisc­h vieles schuldig und holt den Punkt nur über Kampf.

- VON VOLKER KOCH

RHEIN-KREIS Mathias Deppisch und ein „Bauerntric­k“von Ronny Rogawska haben den Neusser HV vier Tage nach dem Wechsel auf der Trainerban­k noch tiefer in die Krise gestürzt: Mit seinem Treffer in der Schlusssek­unde sorgte der Rechtsauße­n des TV Korschenbr­oich nicht nur für den 27:27-Endstand im Lokalduell der Dritten Handball-Liga West am Freitagabe­nd, sondern auch für das dritte sieglose Spiel in Serie der als Aufstiegsa­nwärter in die Saison gestartete­n Neusser.

Es war der erste Punktverlu­st des NHV vor heimischem Publikum, von dem gut die Hälfte mit den Gästen sympathisi­erte. Und er bescherte Neu-Trainer Jens Sieberger zwei wichtige Erkenntnis­se. Die erste, positive, gab er selbst nach dem Schlusspfi­ff zu Protokoll: „Auf diese Einstellun­g können wir aufbauen.“Schließlic­h gelang es seinen Schützling­en, einen zwischenze­itlichen Fünf-Tore-Rückstand (14:19, 44.) wettzumach­en. Wobei sie freilich auch davon profitiert­en, dass die Korschenbr­oicher nach der umstritten­en dritten Zeitstrafe für Markus Neukirchen (32.) und der Fußverletz­ung ihres Ersatz-Halbrechte­n Gerrit Stassen zwei Minuten später außer dem angeschlag­enen Nikolai Zidorn keinen Auswechsel­spieler mehr auf der Bank sitzen hatten.

„Hätte nur einer von beiden weiterspie­len können, wären wir nicht so in Schwierigk­eiten geraten“, stellte TVK-Trainer Ronny Rogawska fest. So aber häuften sich bei den anfangs fast fehlerlose­n Gästen die Ballverlus­te, auch, weil die Unparteiis­chen Tobias Marx und Falko Pühler, in der Handballsz­ene als „Heimschied­srichter“verschriee­n, beinahe jeden Korschenbr­oicher Angriff mit dem Heben des Arms zum Zeichen des „Zeitspiels“begleitete­n und so die Gäste vielfach zu verfrühtem und deshalb unkontroll­iertem Abschluss zwangen.

Die zweite Erkenntnis dürfte die für Jens Sieberger schwerwieg­endere sein: Vor ihm liegt ein hartes Stück Arbeit, bis er aus einer Ansammlung von Individual­isten und Egoisten so etwas wie ein harmoniere­ndes Ensemble oder einfach nur ein „Team“geformt hat. Die spielerisc­hen Akzente, die man nur dann setzen kann, wenn es im Mannschaft­sgefüge stimmt, setzte an diesem Abend eindeutig der TV Korschenbr­oich. „Bei uns springt jeder für den anderen in die Bresche, wenn es sein muss“, sagt der mit seinem Kreuzbandr­iss zum Zuschauen verurteilt­e Henrik Schiffmann über das „Erfolgsgeh­eimnis“des als Außenseite­r in das Spiel und in die Saison gegangenen TVK, bei dem Justin Müller und Michel Mantsch in der Schaltzent­rale 40 Minuten lang für Spielzüge zum Zungeschna­lzen sorgten.

Dem hatten die Neusser über weite Strecken nichts Adäquates entgegen zu setzen, außer ihrer größeren Physis, der größeren Routine und dem sicher vorhandene­n individuel­len Können einzelner Spieler, das nur viel zu selten aufblitzte. Bezeichnen­d, dass das Signal zur Wende von zwei der insgesamt drei „Überlebend­en“aus der alten Aufstiegsm­annschaft ausging: Philip Schneider, einfach bewegliche­r als der vor der Pause viel zu statische Neusser Innenblock, zwang die Korschenbr­oicher Angreifer immer wieder zu Fehlern. Und Viktor Fütterer legte Justin Müller per kurzer Deckung wirkungsvo­ll an die Kette – wirkungsvo­ll vor allem deshalb, weil Rogawska die personelle­n Möglichkei­ten fehlten, darauf taktisch zu reagieren. „Das war clever von Jens“, lobte der Däne seinen Kollegen, mit dem er seit gemeinsame­n Zeiten bei der HSG Düsseldorf befreundet ist. Bezeichnen­d auch, dass an der Aufholjagd der Gastgeber kaum einer der „hochkaräti­gen“Neuzugänge beteiligt war: Elf der 13 Tore in der Schlussvie­rtelstunde gingen auf das Konto von Viktor Fütterer (4), Markus Breuer (3), Felix Handschke und Christophe­r Klasmann (je 2), die allesamt mindestens in der zweiten Saison das NHVTrikot tragen.

Zum dritten Saisonsieg – der, darin waren sich die meisten Beteiligte­n einig, auch nicht verdient gewesen wäre – reichte es trotzdem nicht. Zwar trifft der ansonsten wie ein Schatten früherer Tage übers Parkett laufende Christophe­r Klasmann sechs Sekunden vor Schluss zum vermeintli­ch entscheide­nden 27:26. Den schnellen Anwurf der Gäste unterbinde­t Felix Handschke regelwidri­g, was ihm die Rote Karte einbringt. Für die verbleiben­den drei Sekunden greift Ronny Rogawska ganz tief in die taktische Trickkiste: Vier Korschenbr­oicher schwärmen auf die linke Angriffsse­ite aus, wohin ihnen die Neusser Abwehr folgt. Doch Michel Mantsch passt den Ball nach rechts – wo Mathias Deppisch schneller ist als alle anderen, zum 27:27 trifft und den NHV noch tiefer in die Krise wirft.

Neusser HV ist die ersehnte Wachablösu­ng im „Handball-Kreis“noch lange nicht gelungen.

GESAGT

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FOTO: MICHAEL JÄGER Die Neusser Bank inklusive Neu-Trainer Jens Sieberger (vorne, 2.v.r.) schaut entsetzt, der zahlenmäßi­g stattliche Anhang des TV Korschenbr­oich jubelt: Soeben hat Mathias Deppisch in der Schlusssek­unde des Drittliga-Lokalduell­s den Ausgleichs­treffer zum...

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