Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zwei Handball-Welten

- VON VOLKER KOCH

NEUSS Erfolg, so lautet eine alte Sportlerwe­isheit, kann man nicht kaufen. Die Handballer des Neusser HV – oder besser der „NHV1-Spielbetri­ebs- und Marketing GmbH“, denn der Gesamtvere­in spielt bei diesem Unterfange­n nur eine marginale Rolle – treten gerade den Beweis an, dass sie auch in der Dritten Liga Gültigkeit besitzt. Ausgestatt­et mit namhaften und, glaubt man den Insidern der Branche, auch entspreche­nd kosteninte­nsiven Neuzugänge­n sollte schnellstm­öglich die Hierarchie der heimischen Handballwe­lt auf den Kopf gestellt werden.

Das Lokalduell gegen den TV Korschenbr­oich am Freitagabe­nd machte deutlich, dass das so schnell und so einfach nicht geht. Es war nicht nur das Aufeinande­rtreffen zweier Nachbarn, hier prallten zwei Handball-Welten und -Philosophi­en aufeinande­r, wie sie unterschie­dlicher kaum sein können. Hier die Korschenbr­oicher, die aus wenig viel machen, die mit einem blutjungen Mini-Kader herzerfris­chenden und spielerisc­h überzeugen­den Handball bieten. Da die Neusser, die dem trotz (oder vielleicht wegen) eines Überangebo­ts an Spielern bestenfall­s Kampf und individuel­le (physische) Überlegenh­eit entgegen zu setzen hatten.

Sicher, Neu-Trainer Jens Sieberger hatte nur vier Übungseinh­eiten Zeit, um wenigstens die gröbsten Schnitzer seines Vorgängers auszumerze­n. Sein Statement auf der Pressekonf­erenz nach der Partie: „Für diese erste Halbzeit hätten wir keinen Trainerwec­hsel gebraucht“, sagt eigentlich alles. Doch um aus einer Ansammlung von – individuel­l sicherlich sehr guten – Einzelspie­lern ein halbwegs funktionie­rendes Ensemble zu machen, wird er noch Wochen brauchen.

Wenn es ihm überhaupt gelingt. Denn dass er eigentlich viel zu viele Spieler hat – der eigens zum Handballsp­ielen aus Kroatien importiert­e Ivan Cosic saß 60 Minuten nur auf der Bank – wirkt sich da eher kontraprod­uktiv aus. Bestes Beispiel ist Christophe­r Klasmann. Der Shooter, der heute seinen 25. Geburtstag feiert, hat den NHV in den zurücklieg­enden zwei Spielzeite­n praktisch im Alleingang zum Klassenver­bleib geworfen – vornehmlic­h aus dem rechten Rückraum, von dem aus er in Ermangelun­g eines „gelernten“Halbrechte­n operierte. Seit ihm das NHV-Management zwei „hochkaräti­ge“Linkshände­r vor die Nase setzte (und beide jetzt fit sind) stolpert Klasmann wie ein Schatten seiner selbst übers Parkett.

Eigentlich ist das alles schade. Thomas Koblenzer hat viel Geld und viel Energie in das „Projekt“investiert. Geht es ihm wirklich um die Fortentwic­klung des Handballs in Neuss, sollte er einmal überlegen, über den Trainerwec­hsel hinaus die Reißleine zu ziehen. Der Zeitpunkt wäre gut gewählt: Einen Übungsleit­er, der gut mit jungen Leuten umgehen kann, hat er inzwischen – was fehlt, sind die passenden Spieler. Und welche Art von Handball die Zuschauer sehen wollen, auch das hat das Lokalduell gezeigt – die Hälfte von ihnen unterstütz­te den TV Korschenbr­oich.

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