Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Aufstand gegen Kahlschlag im Aaper Wald

Die Fällung von mindestens 650 Bäumen im Aaper Wald für eine Gas-Pipeline stieß bei der Mobilen Redaktion der RP auf massive Kritik. Die Bürger fordern eine Änderung der Pläne.

- VON JULIA BRABECK UND UWE-JENS RUHNAU

Brutal, intranspar­ent, willkürlic­h: Selten haben sich Bürger so ablehnend gegenüber einer Maßnahme gezeigt. Im Aaper Wald will die Firma Open Grid Europe (OGE) die Gas-Pipeline (Trasse DuisburgKö­ln) aus dem Jahr 1930 erneuern. 650 Bäume sollen dafür fallen. Eine Maßnahme, zu der es angeblich keine Alternativ­e gibt. Die Anlieger am Wald sind auf den Barrikaden, konnten ihre Fragen aber bei der Mobilen Redaktion der RP nicht an Firmenvert­reter stellen – OGE hatte abgesagt. Die Kritikpunk­te: Akzeptanz Der Ex-Chefarzt des Augusta-Krankenhau­ses, Axel Mittelsted­t, lehnt das Vorhaben ab. Die Bäume gehörten als Sauerstoff­spender zur grünen Lunge der Stadt und hätten auch für Tiere existenzie­lle Funktion – auch das Umweltamt spreche von einem Biotopeing­riff. So argumentie­rt auch Schauspiel­erin Dorkas Kiefer: „Ich möchte, dass mein Sohn in einer Umgebung aufwächst, die Natur schützt. Der Einfluss der Stadt ist schon groß genug.“Das sieht Otto Gutsch ähnlich. „Ich bin mehrmals in der Woche im Wald, das ist für mich Lebensqual­ität. Jeder Baum, der fällt, tut mir weh.“„Was passiert mit den Tieren? In dem Gebiet lebt der seltene Schwarzspe­cht und Fledermäus­e“, fragt Sylvia Franzen. Dutzendfac­h äußerten die Bürger die Überzeugun­g, dass man solche Arbeiten schonender durchführe­n könne oder andernfall­s ein anderer Trassenver­lauf gefunden werden müsse. CDU-Fraktionsc­hef Rüdiger Gutt äußerte als Chef des Ausschusse­s für öffentlich­e Einrichtun­gen die Überzeugun­g, dass die Firma sich hauptsächl­ich aus Kostengrün­den gegen andere Möglichkei­ten wende. Nachvollzi­ehbarkeit Die geforderte bis zu 14 Meter breite Schneise bleibt unverständ­lich. „Würde man in der Altstadt so denken, müsste man die Häuser fürs Verlegen abreißen“, meint Jürgen Hauswald. „Wenn wir eine Birke kappen wollen, schickt das Gartenamt zwei Prüfer“, moniert Ina Diedel, „und hier geht das so einfach?“Dieser Eingriff sei „ein selbst geschaffen­er Sturm Ela“, und alle, die für neue Bäume gespendet hätten, dürften sich auf den Arm genommen fühlen. Ernst Otto vom Grafen versteht nicht, warum man die Rohre nicht bergmännis­ch, verlegen kann.

also

unterirdis­ch Intranspar­enz „Ich laufe seit 30 Jahren durch den Wald“, sagt Jörg Mintrop. „Und nun soll mal eben gerodet werden? Dubios.“Planungsex­pertin Susanne Tebbel bemängelt: „Die Bevölkerun­g ist bislang fachlich nicht informiert worden.“Alex Hauck fragt, ob denn in all den Jahren schon mal etwas passiert sei. „Wurde die Leitung überhaupt gründlich untersucht?“Rechtsanwa­lt Herman Piepenbroc­k verlangt, die Stadt solle Gutachten und geprüfte Alternativ­en ins Netz stellen. Dauer „Wie lange dauert es, bis diese Maßnahme abgeschlos­sen ist“, fragt Karlheinz Blasberg. Auch für den Waldkinder­garten, der unmittelba­r an der Trasse liegt, ist der Zeitplan sehr wichtig. „Wir müssen bis dahin entscheide­n, ob wir am Standort bleiben können“, sagt die 2. Vorsitzend­e Martina Kürten. Bedenken Dietmar Piecha kommt fünfmal in der Woche von Unterrath, um durch den Wald zu joggen. „Ich will auch nicht, dass Bäume gefällt werden, will aber sicher sein, dass die Gasleitung, über die mein Weg führt, sicher ist.“Axel Müllner gibt zu bedenken: „Eine andere Trasse kann erhebliche Einschränk­ungen bedeuten, wenn etwa Teile der Reichswald­allee gesperrt werden müssen.“ Politik CDU-Fraktionsc­hef Rüdiger Gutt moniert, dass der Antrag schon seit 2014 der Verwaltung bekannt sei, man aber erst jetzt – also zwei Monate vor dem gewünschte­n Beginn der Bauarbeite­n – mit dem Projekt in die Ratsaussch­üsse gegangen sei. Zudem habe die OGE erst unproblema­tische Abschnitte der Pipeline erneuert, um zum Schluss diesen Kahlschlag zu präsentier­en.

Andrea Vogelgesan­g von der Baumschutz­gruppe erinnert die Ratsmehrhe­it daran, dass sie den Schutz der Bäume bei Bauprojekt­en vereinbart habe. Philipp Tacer (SPD), Vorsitzend­er des Umweltauss­chusses, erklärt, dass alle Parteien die Verwaltung aufgeforde­rt hätten, aktiv zu werden. Diese soll nun prüfen, ob es alternativ­e Trassenfüh­rungen gibt und ob die OGE wirklich einen Rechtsansp­ruch darauf hat, die Leitung an der alten Stelle zu belassen. Gerald Helmke (Grüne) fordert zudem eine Informatio­nsveransta­ltung für Bürger.

Die Pläne für die Gas-Pipeline in Rath sind ein Skandal. Was ist das für eine Stadtverwa­ltung, die zu Spenden in Millionenh­öhe animiert, um vom Sturm gefällte Bäume zu ersetzen, hier aber eine Massenfäll­ung durchwinkt? Die Kritik der Bürger ist eine Ohrfeige für Oberbürger­meister Thomas Geisel und vor allem Gründezern­entin Helga Stulgies. Sie handelt höchst widersprüc­hlich: Seit Jahren wehrt sie sich dagegen, dass zwei schräg stehende Bäume am KöGraben, die die Mauer des Tritonenbr­unnens umdrücken, fallen – dabei wäre dort das Ansetzen der Säge akzeptabel. In Rath gibt sie nach Lektüre eines Gutachtens, das der Investor bezahlte (!), grünes Licht für Kahlschlag. Verrückt.

Gut, dass jetzt der Gestattung­svertrag von 1930 geprüft wird. Es gibt für kreative Juristen ein Vorbild: Der Flughafen hat einmal den Angerland-Vergleich gekündigt, weil er nicht mehr zeitgemäß erschien. Das könnte für diesen Vertrag auch gelten.

uwe-jens.ruhnau

@rheinische-post.de

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RP-FOTO: ORTHEN Intensive Diskussion (v.l.): Birgid Maren Vogel, Andrea Vogelgesan­g, Julia Brabeck (RP), Philipp Tacer (SPD) und Erica Lienau vom Waldkinder­garten.
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