Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Chruschtschow und sein Schuh
Reden von Nikita Sergejewitsch Chruschtschow in der UN-Vollversammlung waren legendär. Kaum eine Ansprache, bei der er nicht die Fassung verlor, wild mit den Armen herumfuchtelte, laut wurde und manchmal auch unflätig fluchte. Der bekannteste Vorfall ereignete sich am 12. Oktober 1960. Der philippinische Delegierte Lorenzo Sumulong hatte über den Kolonialismus gesprochen und dabei die Sowjetunion beschuldigt, die Länder Osteuropas sämtlicher Rechte zu berauben. Chruschtschow verlor die Fassung. „Warum darf dieser Nichtsnutz, dieser Speichellecker, dieser Fatzke, dieser Imperialistenknecht und Dummkopf – warum darf dieser Lakai der amerikanischen Imperialisten hier Fragen behandeln, die nicht zur Sache gehören?“, rief er. Dann soll der Mann aus der Ukraine, der es nach Stalins Tod an die Spitze der Sowjetunion gebrachte hatte, seinen Schuh gegriffen und damit auf den Tisch gehämmert haben. Wirklich bestätigt ist diese Episode der Geschichte nicht. Das offizielle Protokoll der Sitzung erwähnt sie nicht. Die Quellen berichten zum Teil, Chruschtschow habe mit dem Schuh auf das Rednerpult geschlagen, andere erzählen, er habe ihn nur neben sich auf den Tisch gelegt. Trotzdem festigte der Vorfall, von dem am folgenden Tag die „New York Times“berichtete, das westliche Bild vom cholerischen Rabauken Chruschtschow, der stets für eine interessante Anekdote gut war.