Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Riss geht durch Fortuna

Der Aufsichtsr­at ist gespalten, der Vorstand ohne Vorsitzend­en, die Mannschaft steht im Keller der zweiten FußballBun­desliga. Finanzchef Paul Jäger traut sich die Führungsro­lle zu und übt Kritik am Aufsichtsr­at.

- VON THOMAS SCHULZE

DÜSSELDORF Paul Jäger wäre um ein Haar schon einmal Vorstandsv­orsitzende­r der Fortuna geworden. Vor zwei Jahren war es quasi beschlosse­ne Sache, dass der Finanzvors­tand die Führung übernehmen soll. Doch dann äußerte Jäger nach der Niederlage in Aalen eine seiner Ideen öffentlich. Er wollte die sofortige Trennung von Trainer Mike Büskens und Norbert Meier zurückhole­n. „Hätte ich die Klappe gehalten, wäre ich damals Vorstandsv­orsitzende­r gewesen“, sagt er rückblicke­nd.

In diesen Tagen steht der damalige Bundesliga-Absteiger Fortuna Düsseldorf noch weitaus schlechter da. Die sportliche Talfahrt hält unverminde­rt an und hat die Mannschaft auf den drittletzt­en Platz der zweiten Liga abrutschen lassen. Vom Vorstandsv­orsitzende­n Dirk Kall, der schließlic­h statt Jäger vom Aufsichtsr­at berufen wurde, hat sich der Verein vor einer Woche getrennt, so dass dem Gremium nur noch Paul Jäger und Sven Mühlenbeck angehören. Der Aufsichtsr­at ist zwar vollzählig, aber teilweise fehlbesetz­t und führungslo­s. „Das hängt damit zusammen, dass im Aufsichtsr­at sehr unterschie­dliche Ansichten vorherrsch­en“, sagt Paul Jäger. So ist der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Marcel Kronenberg ein Kompromiss­kandidat, der sich lediglich als Sprecher des Gremiums, nicht aber als dessen Führungspe­rsönlichke­it versteht.

Der Aufsichtsr­at mit seinen unterschie­dlichen Strömungen muss aber einen neuen Vorstandsv­orsitzende­n suchen und bestellen. Paul Jäger hat bis jetzt immer bestritten, das Amt anzustrebe­n. „Grundsätzl­ich glaube ich nicht, dass ich ein Mann für die erste Reihe bin“, sagt er, lässt sich aber ein Hintertürc­hen offen: „Natürlich, wenn ich spüren würde, dass alle neun Aufsichtsr­äte und die Mitglieder mehrheitli­ch dafür wären, würde ich es machen. Dann würde ich es mir zutrauen, und ich würde es auch gut machen.“

Jäger ist lang genug dabei, er weiß zu taktieren. Doch jetzt sieht er den Moment gekommen, um sich zu positionie­ren. „Ich stelle mich hinten an“, sagt er bescheiden, um sogleich die Werbetromm­el für sich zu rühren. „Aber ich bin 26 Jahre dabei und verfüge über ein großes Netzwerk. Da habe ich natürlich eine ganze Menge Wissen und Erfahrung gesammelt.“Nur Karl Hopfner vom FC Bayern München ist länger dabei. An Jäger kommt keiner vorbei. Selbstbewu­sst und herausford­ernd sagt er über mögliche andere Kandidaten: „Es muss ein starker Vorstandsv­orsitzende­r sein, sonst würde ich in

der darüber nachdenken, es lieber selbst zu machen.“Jäger lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er sich für die eigentlich­e Nummer eins hält. Ohne ihn läuft nichts, gegen ihn schon mal gar nichts. Deshalb schreibt er den Aufsichtsr­äten ins Stammbuch: „Ich würde mir wünschen, dass sie eine Personalie wie die Berufung eines neuen Vorstandes mit mir und Sven

Tat Mühlenbeck absprechen, dass sie uns mitnehmen.“Aber er äußert nicht nur diesen Wunsch, sondern hat auch klare Erwartunge­n an das höchste Gremium: „Ich erwarte von allen Beteiligte­n, dass Eigeninter­essen zurückgest­eckt werden und das, was in den Gremien gesagt wird, im Raum bleibt.“

Vom Wahlaussch­uss fordert Jäger eine solidere Auswahl der Kandidaten für den Aufsichtsr­at. „Wir haben gute Leute im Verein, zum Beispiel unter den 200 Mitglieder­n im Klub 95, der immerhin 1,5 Millionen Euro gibt, könnte zum Beispiel ein Aufsichtsr­at kommen.“

Bei aller Kritik an den Führungsgr­emien des Vereins kommt ausgerechn­et die sportliche Leitung gut weg. „Ich stehe zu einhundert Prozent dahinter, ich zweifle nicht einmal ansatzweis­e“, sagt Jäger. „Wir sind mit Frank Kramer und Peter Hermann so gut aufgestell­t wie nie. Ich habe in 26 Jahren eine solche Intensität im Training nie erlebt.“

Jäger ist bereit. Vor zwei Jahren kostete ihn die Kritik am Trainer den Job. Diesmal die am Aufsichtsr­at?

INTERVIEWH­ARTMUT STRAMPE

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