Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

65.000 Einbrüche in Nordrhein-Westfalen

2015 droht einer Prognose der Polizei zufolge eine dramatisch­e Zunahme. Seit 18 Jahren war die Zahl der Delikte nicht mehr so hoch.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Die Zahl der Wohnungsei­nbrüche in NordrheinW­estfalen wird aller Voraussich­t nach zum Ende des Jahres auf einem neuen Höchststan­d liegen. Die Experten der Polizei rechnen für 2015 landesweit mit rund 65.000 Einbrüchen – das wären dann so viele wie seit mindestens 18 Jahren nicht mehr. Die Ermittler gehen bei ihrer Prognose von einer Verdoppelu­ng der Einbruchsz­ahlen des ersten Halbjahres aus.

Bis Ende Juni verzeichne­te das Landeskrim­inalamt (LKA) mit 33.500 Einbrüchen bereits einen dramatisch­en Anstieg im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum. „Das ist eine kritische Entwicklun­g“, sagte NRW-Landeskrim­inaldirekt­or Dieter Schürmann. „Leider hat die positive Entwicklun­g aus dem Vorjahr nicht gehalten“, sagte er. Im Jahr 2014 waren die Einbruchsz­ahlen in NRW mit 53.000 Delikten zum ersten Mal seit sieben Jahren rückläufig gewesen.

Als einen Hauptgrund für die negative Tendenz sieht Schürmann eine erneute Zunahme kriminelle­r Aktivitäte­n osteuropäi­scher Banden, die laut Polizei für eine Vielzahl von Einbrüchen verantwort­lich sind. „Die Zahl der reisenden Tätergrupp­en, die für die Einbrüche gezielt ins Land kommen, ist dramatisch gestiegen“, so Schürmann. Nach Erkenntnis­sen der einzelnen Fachkommis­sariate kommen diese Banden in erster Linie aus Serbien, Rumänien und der Türkei. Mit etwas Abstand folgen Gruppierun­gen aus den baltischen Staaten.

Besorgnise­rregend bleibt nach wie vor die geringe Aufklärung­squote. Nur bei etwa jedem siebten Delikt können die Täter ermittelt werden. Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) führt das unter anderem auf Personalma­ngel zurück: „Nur weil das Land bei den Stellen in der Kriminalte­chnik spart, können wir die Täter nicht überführen, obwohl es von den Spuren her möglich wäre“, kritisiert­e der NRW-Vorsitzend­e der GdP, Arnold Plickert, auf einem Kriminalfo­rum der Gewerkscha­ft in Düsseldorf. Plickert forderte NRWInnenmi­nister Ralf Jäger (SPD) auf, besonders betroffene Einbruchsk­ommissaria­te personell deutlich zu verstärken. „Solange ein Ermittler weiter jeden Monat zwischen 80 und 100 neue Fälle auf den Schreibtis­ch bekommt, dürfen wir uns nicht wundern, dass Einbrüche nur noch verwaltet werden, statt die Täter zu ermitteln.“

Ganz anders sieht die Entwicklun­g etwa in Bayern aus. Dort zeichnet sich bei der Einbruchsk­riminalitä­t in diesem Jahr eine moderate Entspannun­g der Lage ab. „Nach den Daten unserer Kriminalst­atistik hatten wir bis einschließ­lich September 2015 im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum einen leichten Rückgang der Einbruchsz­ahlen“, sagte Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU). In Bayern Wohnungsei­nbrüche je 100 000 Einwohner im Jahr 2014 war im vergangene­n Jahr mit 65 Einbrüchen pro 100.000 Einwohner das Einbruchsr­isiko rund fünfmal geringer als in Nordrhein-Westfalen, wo im selben Zeitraum 300 Einbrüche pro 100.000 Einwohner verübt wurden. Hermann führt die Rückgänge in seinem Bundesland unter anderem auf einen erhöhten Fahndungsd­ruck, eine bessere internatio­nale Zusammenar­beit und verstärkte Prävention­smaßnahmen zurück. Aber auch die sogenannte Schleierfa­hndung ist nach Angaben bayerische­r Ermittlung­sbehörden wichtig für den Rückgang an Einbrüchen. Hierbei kontrollie­ren Polizei und Bundesgren­zschutz Personen auch ohne konkreten Verdacht.

Für das nordrhein-westfälisc­he Innenminis­terium kommt die Schleierfa­hndung jedoch nicht in Betracht, weil sie gegen geltendes Landesrech­t verstößt. „Wir haben aber ohnehin schon genügend Anlässe, Personen zu kontrollie­ren, so dass wir dieses Instrument auch nicht bräuchten“, so der NRW-Landeskrim­inaldirekt­or.

Von Vergleiche­n mit anderen Bundesländ­ern, wie sie Politiker immer wieder heranziehe­n, hält die Gewerkscha­ft der Polizei nichts. Denn diese berücksich­tigten nicht die unterschie­dlichen Gegebenhei­ten in den Ländern. „NRW kann mit seinen vielen Großstädte­n und Ballungsrä­umen nicht mit Flächenlän­dern wie Bayern oder Thüringen verglichen werden“, erklärte Wolfgang Spies vom GdP-Landesvors­tand. Bayern ist das größte deutsche Flächenlan­d und hat nach NRW mit 12,6 Millionen die zweitmeist­en Einwohner. Auch verfügt Bayern über eine deutlich längere Grenzen zu Nachbarsta­aten als NRW. Anders als in Bayern, sagte Spies, könnten Täter in NRW ein enges Verkehrsne­tz nutzen, das ihnen beste Voraussetz­ungen zur Flucht biete. Darum sei es auch kein Zufall, dass die meisten Einbrüche in Städten entlang der Autobahnen A 2 und A 3 verübt werden. Leitartike­l Nordrhein-Westfalen

Einbrüche in Deutschlan­d

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