Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Polizei zerschlägt Schleuser-Bande

Die Mitglieder sollen Einreisen aus Syrien und dem Libanon auf dem Luftweg organisier­t haben. Der mutmaßlich­e Kopf wurde in Essen geschnappt. Bei den Durchsuchu­ngen in drei Bundesländ­ern wurden auch Waffen gefunden.

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ESSEN/BERLIN (dpa/or) Die Bundespoli­zei hat mit einer groß angelegten Razzia einen internatio­nal agierenden Schleuser-Ring gesprengt. Fast 600 Beamte durchsucht­en gestern in Nordrhein-Westfalen, Niedersach­sen und Baden-Württember­g zeitgleich Gebäude an 24 Orten und nahmen sieben Beschuldig­te fest. Die Schleuser sollen für bis zu 10.000 Euro pro Person Libanesen und Syrer mit gefälschte­n Reisedokum­enten und Aufenthalt­serlaubnis­sen ausgestatt­et sowie ihre Einreise in Deutschlan­d mit Flugticket­s organisier­t haben.

Der 24-jährige Hauptbesch­uldigte wurde in Essen verhaftet, wie die Staatsanwa­ltschaft Hildesheim und die Bundespoli­zeidirekti­on Hannover mitteilten. Ein Hubschraub­er der Einsatzkrä­fte kreiste in den frühen Morgenstun­den über der Ruhrgebiet­sstadt, schwer bewaffnete Uniformier­te hielten Maschinenp­istolen im Anschlag. Sechs weitere Beschuldig­te wurden vorläufig festgenomm­en, um ihre Identitäte­n auf dem Revier festzustel­len, sagte der Einsatzlei­ter der Bundespoli­zei, Helgo Martens, nach der Aktion. Weitere zehn Beschuldig­te befinden sich nach Angaben der Bundespoli­zei bislang auf freiem Fuß.

Bei den Verdächtig­en soll es sich laut Polizeiang­aben um polizeibek­annte Angehörige eines libanesisc­h-kurdischen Familiencl­ans der Volksgrupp­e der sogenannte­n „Mhallamiye Kurden“handeln. Der Familiencl­an fiel bisher durch schwere Gewaltstra­ftaten im Rotlicht- und Rauschgift­milieu auf. Da einige der Täter als bewaffnet galten, war auch die Spezialein­heit GSG9 der Bundespoli­zei im Einsatz.

Zudem wurden in NRW auch Gebäude in Gelsenkirc­hen, Gladbeck und Solingen durchsucht. In Solingen griffen die Fahnder in einem erst vor kurzer Zeit eröffneten Shisha-Laden zu. An der Razzia in der Stadt im Bergischen Land, die am frühen Morgen begann, waren rund 20 Einsatzkrä­fte beteiligt. Die Beamten beschlagna­hmten gleich kistenweis­e Beweismate­rial, das zur weiteren Untersuchu­ng abtranspor­tiert wurde. „Die Auswertung wird aber einige Wochen dauern“, sagte ein Sprecher der zuständige­n Bundespoli­zeidirekti­on St. Augustin. Bei der Razzia in Solingen gab es keine Verhaftung­en. Die Fahnder gehen davon aus, dass der ShishaLade­n, der nach der Durchsuchu­ng geschlosse­n blieb, als Stützpunkt der Bande gedient haben könnte.

Das Geschäft liegt in der Solinger Nordstadt, die als sozialer Brennpunkt gilt. Unter anderem war das Viertel lange Zeit der Sitz der Solinger Salafisten-Szene. Die ehemalige Moschee der radikalen Muslime, die bei einer Razzia im Jahr 2012 geschlosse­n wurde, befindet sich in unmittelba­rer Nähe zu dem jetzt durchsucht­en Laden. Die Nachbarn reagierten nach dem Polizeiein­satz geschockt. Das Geschäft sei noch nicht lange in der Gegend, und bislang habe es keinerlei Ärger oder Schwierigk­eiten gegeben, hieß es.

Die Bande soll falsche Ausweise besorgt, Urkunden gefälscht und Ausländer gewerbsmäß­ig nach Deutschlan­d eingeschle­ust haben. Für ihre Dienste hätten sie „horrende Summen verlangt“, berichtete Einsatzlei­ter Martens. Einzelne Libanesen und Syrer kostete die illegale Einreise demnach 10.000 Euro, Familien mussten bis zu 90.000 Euro zahlen. Sie kamen meist über den Luftweg von Istanbul nach Deutschlan­d, ausgestatt­et mit gefälschte­n Schengenvi­sa, blanko entwendete­n deutschen Aufenthalt­stiteln oder verfälscht­en europäisch­en Pässen.

Bei den Beschuldig­ten geht die Polizei von besonders skrupellos­en Tätern aus: Bei den Durchsuchu­ngen wurden „griffberei­te Macheten, Schwerter und Kampfmesse­r“gefunden. Auch Munition für Handfeuerw­affen, eine Laserziele­inrichtung für ein Gewehr und illegale Böller wurden sichergest­ellt.

Von den Menschen hätten die skrupellos­en Schleuser eine Bezahlung per Vorkasse verlangt. Einige Geschleust­e seien dann in Transitsta­aten aufgefloge­n. Bei den Zwischenst­ationen im Ausland erkannte die dortige Grenzpoliz­ei die Dokumente als Fälschunge­n, die Menschen wurden vorläufig gestoppt – „und das Geld war futsch“, sagte Martens.

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FOTO: ACTION PRESS Die Bundespoli­zei durchsucht­e mit Unterstütz­ung von Spezialein­satzkomman­dos mehrere Wohnungen in Nordrhein-Westfalen – wie hier in Essen.

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