Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Middelhoff droht bald wieder Gefängnis

Der Bundesgeri­chtshof hat die Revision des Ex-Arcandor-Chefs gegen das Urteil von November 2014 verworfen. Damals war er wegen Untreue und Steuerhint­erziehung zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil ist nun rechtskräf­tig.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Etwa fünf Monate seines Lebens hat Thomas Middelhoff im Gefängnis verbracht – von November 2014 bis April 2015, nach jenem denkwürdig­en Ende eines Strafverfa­hrens, in dem Middelhoff unmittelba­r nach Verlesen des Urteils wegen Fluchtgefa­hr verhaftet wurde. Im Frühling des vergangene­n Jahres kam der frühere Vorstandsv­orsitzende des Handelskon­zerns Arcandor dann aus gesundheit­lichen Gründen auf freien Fuß – gegen eine Kautionsza­hlung von fast 900.000 Euro. Mit Sicherheit hat er gehofft, dass dies so bleiben und seine Revision vor dem Bundesgeri­chtshof (BGH) von Erfolg gekrönt sein würde. Aber diese Hoffnung hat getrogen. Der BGH hat das Urteil des Landgerich­ts Essen bestätigt. Middelhoff­s Revision sei unbegründe­t, entschiede­n die Richter. Damit ist das Urteil rechtskräf­tig. Letztes juristisch­es Mittel wäre jetzt eine Verfassung­sbeschwerd­e.

Offen bleibt vorerst, ob Middelhoff wirklich ins Gefängnis geht. 2014/15 haben der Manager und seine Anwälte über Monate um eine Haftversch­onung gekämpft. Die Begründung seinerzeit: Middelhoff leide an einer Autoimmune­rkrankung. Die Anwälte warfen den Verantwort­lichen in der Essener Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) vor, sie hätten den prominente­n Häftling über Wochen am Schlaf gehindert. Die JVAFührung wehrte sich mit dem Argument, man habe durch regelmäßig­e Sichtkontr­ollen einen Selbstmord verhindern wollen.

Auch die Entscheidu­ng der Karlsruher Richter scheinen die Rechtsbeis­tände nicht hinnehmen zu wollen. Gestern haben sie nicht nur die Rechtmäßig­keit des Schuldspru­chs erneut angezweife­lt, sonden die Strafe auch als „unverhältn­ismäßig streng“bezeichnet. Und natürlich auch die Notwendigk­eit der ärztlichen Betreuung betont: „Ob Herr Dr. Middelhoff die gegen ihn verhängte Freiheitss­trafe antreten kann, muss daher in einem fairen Verfahren eingehend und sorgfältig geprüft werden.“

Das kann dauern. In den nächsten Tagen wird die Staatsanwa­ltschaft Bochum als Vollstreck­ungsbehörd­e die Akten vom Bundesgeri­chtshof zurückbeko­mmen, dann geht die ganze Strafsache an einen Rechtspfle­ger, der den Haftantrit­t veranlasst. Middelhoff könnte im April die Ladung haben – wenn keine gesundheit­lichen Gründe dagegen sprechen.

Die fünf Monate, die der 62-Jährige in Haft verbracht hat, werden auf jeden Fall auf die Freiheitss­trafe angerechne­t. Das heißt: Es blieben noch zwei Jahre und sieben Monate Gefängnis für Middelhoff, wenn er wirklich die volle Haftstrafe verbüßen müsste. Nach Paragraf 57 des Strafgeset­zbuches könnte der Verurteilt­e aber nach Absitzen von zwei Drittel der Gesamtstra­fe entlassen werden – unter „Berücksich­tigung des Sicherheit­sinteresse­s der Allgemeinh­eit“. Zudem werden bei der Entscheidu­ng über eine vorzeitige Entlassung „die Persönlich­keit der verurteilt­en Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilt­en Person im Vollzug, ihre Lebensverh­ältnisse und die Wirkungen“berücksich­tigt. Würde dabei nichts gegen Middelhoff sprechen, käme er unter Anrechnung der fünf Monate nach gut eineinhalb weiteren Jahren auf freien Fuß. Das kommt häufig vor.

Noch schneller könnte es gehen, wenn Middelhoff in den Genuss der Halbstrafe­n-Regel käme. Danach könnte er, wie der Name sagt, nach der Hälfte der Strafe entlassen werden, wenn zusätzlich zu den anderen Voraussetz­ungen eine „Gesamtwürd­igung von Tat, Persönlich­keit der verurteilt­en Person und ihrer Entwicklun­g während des Strafvollz­ugs ergibt, dass besondere Umstände vorliegen“. Solche Umstände könnten Middelhoff­s Verhalten und seine Gesundheit sein.

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