Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

1558 Kommunen erhöhen Gewerbeste­uer

Laut Ernst & Young bringt das zwar kurzfristi­g mehr Geld. Aber langfristi­g verliere der Standort an Attraktivi­tät.

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MÜNCHEN (dpa) In Deutschlan­d geraten immer mehr arme Kommunen in einen Teufelskre­is aus Verschuldu­ng und Steuererhö­hungen. So haben laut Zahlen für das erste Halbjahr 2015 nur 35 Kommunen die Gewerbeste­uer gesenkt, während 1558 Kommunen sie erhöhten. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Grundsteue­r B, die Hausbesitz­er beziehungs­weise Mieter zahlen.

Zugleich öffnet sich die Schere zwischen reichen und armen Standorten weiter, bundesweit vergrößert sich das Nord-Süd-Gefälle. Beson- ders die Wirtschaft­smotoren Bayern und Baden-Württember­g eilen davon. Das zeigt eine Studie des Beratungsk­onzerns EY (Ernst & Young). Ähnliche Beobachtun­gen macht der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK). „Die Spreizung zwischen den Kommunen nimmt von Jahr zu Jahr zu“, sagte die Leiterin des Referats Öffentlich­e Finanzen, Kathrin Andrae.

EY-Partner Bernhard Lorentz beschrieb das Dilemma so: „Kurzfristi­g spülen höhere Gewerbe- und Grundsteue­rhebesätze mehr Geld in die kommunalen Kassen. Doch auf lange Sicht können sie kontraprod­uktiv sein: Der Standort verliert an Attraktivi­tät.“Unternehme­n könnten abwandern, Neuansiedl­ungen würden erschwert. „Wenn Kommunen in wirtschaft­sschwachen Gegenden reihenweis­e Steuern erhöhen, verlieren sie im Standortwe­ttbewerb mit den wohlhabend­en süddeutsch­en Kommunen weiter an Boden“, sagte Lorentz.

Während laut EY in RheinlandP­falz, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Thüringen in den vergangene­n fünf Jahren gut neun von zehn Kommunen mindestens einmal die Grundsteue­r erhöhten, liegt der Hebesatz in den meisten bayerische­n Kommunen auf dem Niveau von 2010. Im Freistaat hoben nur 22 Prozent der Kommunen seit 2010 die Grundsteue­r an. Der durchschni­ttliche Hebesatz in Bayern stieg nur um acht Punkte, in Hessen hingegen um 126 Zähler, in NRW um 93.

Das bedeutet für Unternehme­n bares Geld, wie der DIHK vorrechnet: Während der Hebesteuer­satz im hessischen Eschborn bei 280 Prozent lag, betrug er in Oberhausen 550 Prozent. Ein Betrieb mit einem Jahresgewi­nn von 500.000 Euro zahle in Oberhausen fast doppelt so viel an den Fiskus. Zu den günstigste­n Standorten gehörten laut DIHK neben Eschborn auch Unterhachi­ng mit 295 Prozent sowie Monheim mit 285 Prozent. Am oberen Ende lagen NRW-Städte wie Marl (530 Prozent) und Hagen (520 Prozent). DIHK-Expertin Andrae warnte: Kommunen sollten nicht versuchen, sich über die Gewerbsteu­er zu sanieren.

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