Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Würfeln Sie Ihren Zinssatz“

Wir haben sechs Banken in der Region besucht und wollten 10.000 Euro anlegen. Die Ergebnisse der Gespräche waren ganz unterschie­dlich, genau wie die Methoden einiger Berater.

- VON TANJA KARRASCH, LUDWIG KRAUSE UND BEATE WYGLENDA

DÜSSELDORF Manche Anlagebera­ter wären vielleicht lieber Künstler geworden – zumindest zeichnen sie gerne: magische Dreiecke, Graphen oder einen Topf. „Da drin ist dann der Fonds, so wie beim Kochen auch“, bekommt man dann zu hören. Bei Stiftung Warentest schnitten im Januar drei von 23 deutschlan­dweit untersucht­en Instituten mit „gut“ab: Fünf Banken schafften ein „ausreichen­d“, zwei ein „mangelhaft“. Wir wollten es wissen und besuchten sechs Bankfilial­en in der Region, mit dem Ziel, 10.000 Euro anzulegen.

Im Beratungsr­aum der Deutschen Bank in Kleve gibt es netten Smalltalk, dann erst die Fragen: Wie sind Einkommen und Reserven, welche Geldanlage habe ich mir vorgestell­t? Ich erkläre, mich noch nie mit Geldanlage­n beschäftig­t zu haben und verschiede­ne Angebote vergleiche­n zu wollen. Ein Dämpfer: Mein Berater sagt, er könne mir nur die klassische­n Anlagen vorstellen, für den Wertpapier-Bereich sei eine speziell geschulte Beraterin nötig. In den folgenden anderthalb Stunden dreht sich das Gespräch also um die Vor- und Nachteile eines Bausparver­trags. Die Vorzüge eines Girokontos bei der Deutschen Bank gibt es ungefragt obendrauf. Zum Schluss kommt die Wertpapier-Expertin dazu und reißt an, was mich beim Gespräch mit ihr erwartet: Nach einem Kapital-Anlage-Check mit Ermittlung meiner Risikobere­itschaft könne sie mir passende Produkte vorstellen. Das sei nochmals ein rund anderthalb­stündiges Gespräch. Über mangelnde Bereitscha­ft der Berater kann man sich nicht beschweren. Mein Wunsch, konkrete Vergleiche ziehen zu können, wurde allerdings nicht erfüllt.

Den Termin erhalte ich bei der Stadtspark­asse Düsseldorf überrasche­nd schnell – nämlich schon am Tag darauf. Als ich in der Filiale an der Collenbach­straße erscheine, wird mir gesagt, meine Beraterin sei krank. Für eine intensive Beratung solle ich am besten einen neuen Termin machen. Den gibt es immerhin in derselben Woche. Mein neuer Berater ist freundlich und nimmt sich Zeit. Erst wird meine Vermögenss­truktur abgeklopft, dann meine Risikobere­itschaft. Ich habe eine ausgeprägt­e Risikobere­itschaft der Stufe 3, der überdurchs­chnittlich­e Ertragscha­ncen gegenübers­tehen. Er empfiehlt mir ein Produkt mit mittlerer Aktienfond­squote zwischen null und 40 Prozent. Zunächst sollen es wegen eines Rechenfehl­ers sogar bis zu 60 Prozent sein, darauf macht der Computer den Banker aber schnell aufmerksam. Der hat den Bildschirm so gedreht, dass ich mit darauf schauen kann. Mein Eindruck: Die Sparkasse arbeitet transparen­t. Nach Umsetzung der Empfehlung­en soll ich mein Geld zu 64 Prozent in Renten und Spareinlag­en, zu 16 Prozent in Aktien und zu 20 Prozent in offenen Immobilien­fonds anlegen. Zu keinem Zeitpunkt fühle ich mich zu etwas gedrängt. Wir vereinbare­n, in drei Wochen noch einmal zu telefonier­en. Nach einer guten Stunde verlasse ich die Filiale.

Der Berater bei der Deutschen Bank in Leverkusen erkundigt sich nach meinem Wissenssta­nd, meiner Lebenssitu­ation und Risikobere­itschaft. Um mein Vermögen zu mehren, bin ich bereit, ein Risiko einzugehen. Mit Wertpapier­en habe ich bisher aber keine Erfahrunge­n. Ich gebe an, das Geld längerfris­tig angelegen zu wollen. Der Berater erklärt geduldig, legt Risiken und Kosten dar und geht auf meine Fragen ein. Er verzichtet auf die Analyse am Computer, erklärt aber, wie diese beim nächsten Gespräch ablaufen würde. Er gibt mir Informatio­nsmaterial mit, zudem zwei Produktemp­fehlungen: Er rät dazu, einen Teil festverzin­st und den anderen in einem Aktienfond der Risikoklas­se 3 von 5 anzulegen. Ich fühle mich gut beraten und zu nichts gedrängt.

Bei der Commerzban­k Leverkusen durchlaufe ich den KundenKomp­ass und soll meinen Familienst­and, Girokontos­tand, monatliche Einnahmen und Ausgaben offenlegen. Ich habe drei Wünsche frei und wähle Familienzu­wachs, Eigenheim und eine Traumreise. Der junge Berater ist nett und bemüht, schafft jedoch keine Vertrauens­basis. Ich gebe mich als Laie im Wertpapier­geschäft aus, möchte aber mein Vermögen deutlich vermehren. Er rät zu einer Anlage in einem Fonds aus Aktien und Renten der höchsten Risikostuf­e. Mit Hinweisen auf auslaufend­e Angebote, er nennt sie „Überraschu­ngen“, gibt er mir das Gefühl, mich schnell entscheide­n zu müssen. Zusätzlich rät er zu einem Bausparver­trag. Den Zinssatz für die Rückzahlun­g des Darlehns darf ich würfeln. Nach drei Versu- chen landet der Würfel auf 1,35 Prozent. Der Berater fragt, ob ich den Vertrag gleich abschließe­n möchte. Ich fühle mich überrumpel­t. Beim Verlassen der Filiale fällt mir ein Schild mit der Aufschrift „Keiner berät besser“ins Auge. Na ja.

Die Beraterin in der Volksbank Wesel kommt schnell zur Sache – nicht unpersönli­ch, aber direkt. Sie will wissen, wie ich meine Risikobere­itschaft einschätze. Ein Schaubild der fünf Risikoklas­sen mit entspreche­nden Attributen soll mir die Entscheidu­ng erleichter­n. Mir ist Sicherheit wichtig, doch kleine Verluste sind zu verkraften, sage ich. Und prompt stellt mir die Beraterin entspreche­nde Anlagen vor. Sie zeigt mir drei zum Vergleich, die in der Haltedauer­empfehlung und im Aktienante­il variieren. Die Details erklärt sie mir ausführlic­h. Eine Produkt, das ausschließ­lich in Aktienfond­s investiert, schließe ich sofort aus. Die zwei anderen – beides Mischfonds mit Aktien und Renten – klingen für mich als eher risikosche­ue Anlegerin interessan­t.

Bei der Sparkasse Moers sitzen mir zwei Berater gegenüber. Er fragt und erklärt, sie gibt alle Daten in den Computer ein. Mit einer Handvoll Fragen wird zunächst meine Risikobere­itschaft ermittelt, dann erscheint eine Grafik auf dem Bildschirm, eine Gegenübers­tellung meiner aktuellen und empfohlene­n Vermögensa­ufteilung. Laut Grafik sollte ich etwa zu gleichen Teilen in Aktien und Rentenanla­gen investiere­n. Drei passende Produkte werden mir präsentier­t. In allen Fällen handelt es sich um offene Dachfonds. Das Prinzip verdeutlic­hen mir mein Berater mit einer Zeichnung. Auch die Wertentwic­klung meiner Geldanlage anhand vergangene­r Werte wird mir bei jeder Option grafisch dargestell­t. Nur zur Veranschau­lichung, betonen die Berater, ein Indikator für die künftige Entwicklun­g sei dies nicht. Einen guten Einblick in meine Möglichkei­ten habe ich dadurch aber allemal bekommen.

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FOTO: DPA Ein Dutzend Goldbarren zu je 30 Gramm – das waren gestern mehr als 10.000 Dollar. Aber Gold ist riskant. Der Preis kann stark schwanken.

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