Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Museum Morsbroich droht das Aus

Wirtschaft­sprüfer schlagen die Schließung des Hauses vor. Hintergrun­d ist das Defizit der städtische­n Kultur in Leverkusen. Auch der Verkauf von Kunstwerke­n aus der Sammlung steht zur Diskussion.

- VON MONIKA KLEIN UND BERTRAM MÜLLER

LEVERKUSEN Eine Million Euro Defizit schreibt die städtische Kultur in Leverkusen jedes Jahr. 2001 wurde sie in eine eigenbetri­ebsähnlich­e Wirtschaft­sform überführt, die KulturStad­tLev. Jetzt legte die KPMG Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t einen Maßnahmenk­atalog vor, mit dessen Hilfe die Misere beendet werden könnte. Herzstück des Konsolidie­rungsplans: die Schließung des Museums Morsbroich sowie die Aufgabe der eigenen Sammlung. Das soll ab 2019 Personal- und Betriebsko­sten von 778.450 Euro für den Kulturbetr­ieb einsparen.

Obwohl man in der Begründung durchaus Bedenken einräumte, dass es die Öffentlich­keit als Tabubruch werten könnte, wurde als Alternativ­e der Verkauf von Kunstwerke­n aus der Sammlung vorgeschla­gen. Eine weitere Möglichkei­t sei die Umwidmung in ein neues Betreiberm­odell mit einem privaten Trägervere­in. Dann würden immerhin Ausstellun­gen fortgesetz­t, mit neuem Konzept und reduzierte­m Personal. Allerdings würden die Betriebsko­sten weiterhin die Kommune belasten, solange das Gebäude in städtische­m Besitz bleibe.

Die Leverkusen­er Kulturpoli­tiker reagierten entsetzt, als sie gestern über diese „Optimierun­gspotenzia­le der KulturStad­tLev“informiert wurden. Die Gemeindepr­üfungsanst­alt NRW hat sie für die Stadt in Auftrag gegeben und bezahlt, weil Leverkusen als freiwillig­es Mitglied am Stärkungsp­akt Stadtfinan­zen teilnimmt. Die städtische Kultur sei in den vergangene­n Jahren ausgequets­cht worden wie eine Zitrone, erinnerte Roswitha Arnold, Vorsitzend­e des Betriebsau­sschuss Kultur, an eine Kette von Einsparmaß­nahmen bei Einkommens­verbesseru­ngen. Das sei ein kulturelle­r Kahlschlag. „Bei Vollzug würden wir die kulturelle Seele der Stadt verkaufen und uns als kommunale Zombies erweisen“, so Hans Klose (SPD).

Wenn Kommunen sparen müssen, fällt Politikern und ihren gut bezahlten Beratern oft als Erstes die Kultur ein. Sie zählt zu den wenigen sogenannte­n freiwillig­en Leistungen, die eine Stadt erbringt, und lässt sich daher formal am leichteste­n verringern. Dabei unterschät­zt die Politik regelmäßig, dass gerade die Kultur eine Lobby hat, die sich gut zu artikulier­en weiß und schon manches Sparprojek­t zeitig zu Fall gebracht hat. Man denke an Bochum. Dort schlug die Stadtverwa­ltung 2012 vor, das städtische Kunstmuseu­m zu schließen, um Kosten zu sparen. Als Termin hatte man das Jahr 2022 ins Auge gefasst, den Zeitpunkt, an dem der Direktor in den Ruhestand wechselt. Doch nicht nur Bochums kulturinte­ressierte Bürger protestier­ten; bundesweit erhob sich Widerspruc­h, weil viele befürchtet­en, Bochum könne zum Präzedenzf­all eines republikwe­iten Kulturabba­us werden. Heute betrachtet Stadtsprec­her Thomas Sprenger den Aufruhr beschwicht­igend aus historisch­er Distanz: Die damalige Diskussion habe „wenig Substanz“gehabt, man habe in Bochum „nur einmal über alles nachdenken wollen“. Inzwischen spricht in der Ruhrgebiet­sstadt niemand mehr über eine Schließung des Museums.

Ähnlich könnte die Diskussion in Leverkusen verlaufen, wo das Land NRW einen Sparkommis­sar eingesetzt hat. Der Umstand, dass das städtische Museum Morsbroich die Spitze einer Liste von Möglichkei­ten bildet, wie die Kommune ihre Ausgaben verringern kann, bedeutet nicht, dass dem Vorschlag die Tat folgt. Dafür steht viel zu viel auf dem Spiel. Das von der Stadt mit gut einer Million Euro pro Jahr finanziert­e Museum Morsbroich ist das einzige Kulturinst­itut, mit dem Leverkusen überregion­al von sich reden macht. Eine Jury aus Kritikern nordrhein-westfälisc­her Medien zählt dieses Haus Jahr für Jahr zu den besten im Lande. Lange bevor Museen in Köln und Düsseldorf die Gegenwarts­kunst für sich entdeckten, galt Leverkusen auf diesem Gebiet als feinste Adresse. 16.500 Besucher im zurücklieg­enden Jahr mögen im Vergleich zu den großen Museen im Norden und Süden wenig sein, doch sollte man die Ausstrahlu­ng des Hauses durch Multiplika­toren unter den Besuchern nicht unterschät­zen. Eine Schließung hätte auch zur Folge, dass die Schätze brachlägen: immerhin eine der bedeutends­ten Sammlungen zur deutschen und internatio­nalen Kunst der 50er und 60er Jahre, mit mehr als 5000 Werken aus der Spanne von Yves Klein bis Warhol. Ganz zu schweigen davon, dass künftig in Leverkusen Schüler nicht mehr kompetent an moderne Kunst herangefüh­rt würden. Das Barockschl­oss, die gute Stube der Stadt, verlöre seine Seele.

Verwaltung und Politik sollen in Leverkusen nun gemeinsam Lösungen finden.

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FOTO: ULRICH SCHÜTZ Geschlosse­n: Der Schriftzug der Kunstinsta­llation an der Fassade von Schloss Morsbroich könnte bald Wirklichke­it werden.

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