Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Weniger Bürokratie für Johanniter-Pfleger

Statt Papierkrie­g mehr Zeit für die Bewohner: Eine Strukturre­form soll die Fachkräfte in den beiden Einrichtun­gen der Kaarster Johanniter entlasten. Dazu wird unter anderem die Pflegedoku­mentation in den Häusern reduziert.

- VON OLIVER BURWIG

KAARST „Massig“sei der Aufwand gewesen, den der 31-jährige Altenpfleg­er Stefan Vandrey täglich betreiben musste, um darzulegen, was er im Dienst gemacht hatte. Für jede Änderung im Pflegeallt­ag musste er im Pflegeberi­cht eine „Zielsetzun­g“formuliere­n, jeden Wunsch der Bewohner schriftlic­h als „Problem“mit entspreche­nder „Lösung“beschreibe­n, bevor er ihm nachgehen durfte. Seit Anfang des Jahres ist das anders: Ein vom Bundespfle­gebevollmä­chtigten in Auftrag gegebenes „Strukturmo­dell“gestattet ihm, die tägliche „Grundpfleg­e“nicht mehr in aller Ausführlic­hkeit zu dokumentie­ren – und gibt der Hausleitun­g damit ein Werkzeug zur Entbürokra­tisierung an die Hand.

„Was nicht von einer Pflegekraf­t unterschri­eben wurde, galt als nicht gemacht“, fasst Rosel Band vom Johanniter-Stift die ehemaligen Maßgaben zur Pflegedoku­mentation zusammen. Die 60-jährige Leiterin des Pflegeheim­es Am Sandfeld ließ sich über das Strukturmo­dell unterricht­en und gab es an ihre Mitarbeite­r weiter. Alle Informatio­nen über die Bewohner – Gesundheit ebenso wie persönlich­e Befindlich­keiten – werden nun beim Neueingang auf einer Seite zusammenge­fasst und jährlich oder bei Bedarf aktualisie­rt. Diese Informatio­nssammlung will Band auch rückwirken­d für alle 104 Be- wohner ihrer Häuser betreiben. Für ihre Mitarbeite­r bedeutet das neue System einen Paradigmen­wechsel: Wo Misstrauen regierte, soll wieder Vertrauen in das Pflichtbew­usstsein und die Expertise des Pflegepers­onals treten.

„Vor zehn Jahren ist viel Negatives in der Pflege passiert“, gibt Band zu. Die Pflegerefo­rm der 2000er Jahren sei jedoch über das Ziel hinausgesc­hossen und hätte durch überstrapa­zierte Nachweispf­lichten „den Berufsstan­d und die Fachlichke­it der Pfleger in Frage gestellt“. Dadurch sei nicht nur das Selbstvert­rauen ihrer Mitarbeite­r „gedeckelt“worden, wie Band sagt, sondern auch das Wort des Bewohners und die Kommunikat­ion zwischen ihm und der Pflegekraf­t entwertet.

Band nennt ein Beispiel: Wenn ein Bewohner als Maßnahme gegen Wundliegen nachts nicht geweckt werden will, dann werde der Pfleger dies berücksich­tigen und in weniger akuten Fällen unterlasse­n. Ein fehlender Eintrag zum Thema im Pflegeberi­cht heiße nicht, dass der Mitarbeite­r seine Pflicht vernachläs­sigt – es gelte das Vertrauen in die Fachkraft, dass diese sich mit dem Bewohner ausgetausc­ht und dann seine Entscheidu­ng getroffen hat.

Seit November 2015 kann sich Pflegepers­onal bei mangelnder Dokumentat­ion der alltäglich­en Pflege auf den „Immer-so-Beweis“berufen: Darauf, dass in der Einrichtun­g immer so gehandelt werde und ein Nachweis im laufenden Betrieb nicht notwendig ist. „Die Expertenst­andards und Vorgaben werden bei uns immer noch eingehalte­n“, betont Band. Das Strukturmo­dell könne aber helfen, das Aufnahmepr­ozedere neuer Bewohner zu vereinfach­en und das Vertrauen in die Pflegekräf­te zu stärken. „Das muss einfach da sein, ansonsten braucht man gar keine Menschen mehr in der Pflege anstellen“, sagt Band.

Bis Juni soll das neue System in den Johanniter-Einrichtun­gen in Kaarst vollständi­g umgesetzt sein. Schon jetzt hat Pfleger Vandrey einen Unterschie­d festgestel­lt: „Die Pflege war in ihren Richtlinie­n festgefahr­en. Jetzt ist der bürokratis­che Aufwand überschaub­arer.“

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NGZ-FOTO: TINTER Vom neuen Modell in Rosel Bands (r.) Einrichtun­gen sollen auch Pfleger Stefan Vandrey (l.) und Krankensch­wester Regina Riemel (M.) profitiere­n.

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