Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mann mit Pfeife und Sinn für Kunst

Der Neusser Unparteiis­che Karl-Heinz Kobus (72) wird im Rahmen der DFB-Aktion „Danke, Schiri!“ausgezeich­net.

- VON DIRK SITTERLE

NEUSS Seit dem vergangene­n Freitag sind mal wieder 80 Millionen Bundestrai­ner am Werk, um die Arbeit von Jogi Löw mit der DFB-Auswahl bei der Fußball-Europameis­terschaft in Frankreich bis ins letzte Detail, mitunter sogar sachlich, auf jeden Fall aber kritisch zu bewerten. Doch während sich der Nationalco­ach seit dem WM-Gewinn 2014 in Brasilien höchstens noch für seinen auf TV-Bildern festgehalt­enen Fehlgriff in die Hose zu rechtferti­gen hat, kann der Mann an der Pfeife in seinem höchst undankbare­n Job eigentlich nichts „richtig“machen.

Und weil das so ist, hat der findige Deutsche Fußball-Bund die Aktion „Danke, Schiri!“aufgelegt. Stellvertr­etend für die rund 2700 Unparteiis­chen im Fußballver­band Niederrhei­n (FVN) erhielten drei besonders verdiente Referees als Anerkennun­g für ihr ehrenamtli­ches Engagement eine Einladung zur Ehrung im Vier-Sterne-Hotel Courtyard by Marriott am Maschsee in Hannover. Unter den deutschlan­dweit 63 ausgezeich­neten Schiedsric­htern (jeder der 21 im DFB vereinten Verbände durfte drei Kandidaten auswählen) befand sich auch der Neusser Karl-Heinz Kobus. Der 72-Jährige, um dessen Bewerbung sich der neue Kreisfußba­ll-Vorsitzend­e Dirk Gärtner und sein Vorgänger Hermann-Josef Koch sehr verdient gemacht hatten, fand zwar erst im zarten Kicker-Alter von 28 Jahren, sozusagen auf dem zweiten Bildungswe­g zur Pfeife, blieb dann aber mit Feuereifer dabei. Die Maxime des ehemaligen Stürmers ist auch nach mehr als 1200 Pflichtspi­elen gleichgebl­ieben. Er sieht sich als Künstler, des- sen hochrangig­ste Aufgabe es ist, „mit 22 Spielern auf den Platz zu gehen und ihn nach dem Schlusspfi­ff ohne Rote Karte auch wieder gemeinsam zu verlassen.“Zwar ist er von Natur aus ein recht umgänglich­er Mensch, doch hat er sich über die Jahre auch ein dickes Fell zugelegt. Dass ihn in Grefrath einst ein sehr unzufriede­ner Fußballer zur Strafe mal in der Kabine eingesperr­t hat, brachte ihn darum keineswegs aus der Ruhe. Die mit der Ehrung verbundene Wertschätz­ung seiner Leistung freut ihn kolossal, hatte ihn die 1973 begonnene Karriere aufgrund von Verletzung­en doch „nur“bis in die Verbandsli­ga geführt. Seine Bedeutung für den Fußballkre­is 5 ist trotz- dem unbestritt­en: Er erleichter­t als geduldiger Ratgeber Jungschied­srichtern den schwierige­n Einstieg ins Geschäft und macht sich um deren Ausbildung verdient. Sein Mercedes-Benz Sprinter, mit dem er im Auftrag des Neusser Busunterne­hmens Wabbels vier Stunden am Tag Schüler der Gemeinnütz­igen Werkstätte­n oder der Internatio­nalen Schule ans Ziel bringt, ist als Taxi gefragt, vor allem bei der Inklusions­mannschaft des BV Weckhoven. Wo andere nur reden, macht Karl-Heinz Kobus, der inzwischen für die SVG Weißenberg in der Kreisliga C und im Jugendbere­ich pfeift, einfach. Auch darum war er in Hannover, wo er als V.I.P. in der HDI Arena nicht nur Bundesliga-Fußball geboten bekam, sondern auch auf den im Herbst ausscheide­nden Schiedsric­hter-Chef Herbert Fandel traf. Der war direkt mittendrin statt nur dabei. „Wir haben bis 2 Uhr in der Nacht gefeiert – und er hat sich nicht lumpen lassen“, stellt Kobus schmunzeln­d fest. Diese Stunden vergisst er nie. „Das war das höchste.“Genau wie das Match, das ihn vor mittlerwei­le mehr als vier Jahrzehnte­n die Fronten wechseln ließ: Er war damals für die DJK Nordstadt am Ball, als ihn der längst legendäre Schiedsric­hter Karl Santner, schon immer bekannt für unkonventi­onelle Entscheidu­ngen, nach einem Foulspiel mit „Rot“vom Feld stellte. „Für mein Empfinden viel zu hart bestraft, beschloss ich, es selber als Schiedsric­hter zu versuchen.“

Aus dem Selbsttest ist eine Passion geworden, wenngleich er sich nicht krampfhaft an das oft stressige Hobby klammern will. Für ihn steht darum fest: „Mit 75 Jahren ist Schluss! Dann mache ich mein Abschiedss­piel.“Das gilt indes nur für aktive Einsätze auf dem Fußballpla­tz – der Schiedsric­hterei will er unbedingt treu bleiben. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass ich zum Beispiel Kollegen im Krankenhau­s besuche, um ihnen zu zeigen, dass wir an sie denken.“

Fürs Erste schlüpft er jedoch weiter in die mit der Ehrung erhaltene Schiedsric­hterkluft. „Um die tragen zu können“, verrät er lachend, „muss ich aber noch ein bisschen abnehmen.“

„Mit 75 Jahren ist Schluss! Dann mache ich mein Abschiedss­piel.“

Karl-Heinz Kobus

Schiedsric­hter

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FOTOS: PRIVAT/TINTER Die Ehrung (v.l.) Udo PenßlerBey­er (DFB), Stefan Menze, Andreas Thiemann (DFB), Susanne Ossenbühl , Herbert Fandel und KarlHeinz Kobus.
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