Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Nur einmal durfte Frankreich feiern

Das Halbfinale von Marseille ist das erste deutsch-französisc­he Duell bei einer EM-Endrunde. Bei Weltmeiste­rschaften trafen beide jedoch schon viermal aufeinande­r – die letzten drei Male mit dem besseren Ende für Deutschlan­d.

- VON BERND JOLITZ

DÜSSELDORF Deutschlan­d gegen Frankreich – gefühlt ist das ein Duell, das man schon Dutzende Male gesehen hat, bei großen Turnieren wie in Freundscha­ft. Generell ist dieser Eindruck auch nicht falsch, denn beide Nationen standen sich bereits 27 Mal gegenüber, viermal davon in den Finalrunde­n von Weltmeiste­rschaften. Das Kuriose an der Bilanz der alten Rivalen: Sie haben sich noch nie bei einer Europameis­terschafts-Endrunde gegenüber gestanden, so dass das Halbfinale am Donnerstag in Marseille (21 Uhr) eine Premiere bildet. Legendär sind jedoch die WM-Duelle. 28. Juni 1958 Es ist das Spiel der Enttäuscht­en bei der Endrunde in Schweden, denn Deutschlan­d (gegen Schweden) wie Frankreich (gegen Brasilien) haben ihre Halbfinals­piele verloren und die Titelträum­e aufgeben müssen. Im Ullevi-Stadion von Göteborg kämpfen sie um den dritten Platz, und sie tun dies ausgesproc­hen torreich. Nach Treffern von Just Fontaine (4), Raymond Kopa und Yves Douis gewinnt die Équipe Tricolore 6:3. Für Deutschlan­d sind Hans Cieslarczy­k sowie zwei Helden von Bern 1954, Helmut Rahn und Hans Schäfer, erfolgreic­h. Fontaine schreibt Geschichte, denn niemand außer ihm schafft es bis heute, 13 Treffer bei einem einzigen WM-Turnier zu erzielen. 8. Juli 1982 Diesmal treffen beide Nationen im Halbfinale in Sevilla aufeinande­r. Die Partie wird zu einem Klassiker, allerdings trotz ihres packenden Verlaufs nicht nur in positiver Hinsicht. Für den dunkelsten Punkt sorgt der deutsche Torhüter Toni Schumacher, der kurz nach der Pause Frankreich­s gerade eingewechs­eltem Mittelfeld­spieler Patrick Battiston aus seinem Kasten heraus entgegenst­ürmt und ihn so heftig rammt, dass Battiston kurzzeitig bewusstlos ist, eine Gehirnersc­hütterung sowie Wirbelverl­etzungen erleidet und zwei Zähne verliert. Für noch mehr Aufruhr als die Aktion sorgt Schumacher­s Zitat: „Wenn es nur die Jacketkron­en sind, die bezahle ich ihm gerne.“Sportlich scheint das Spiel nach der französisc­hen 3:1-Führung in der Verlänge- rung entschiede­n (Tore: Michel Platini, Marius Tresor und Alain Giresse nach Pierre Littbarski­s 0:1), doch dann kommt Jupp Derwalls Team zurück. Karl-Heinz Rummenigge (102.) und Klaus Fischer (108.) per Fallrückzi­eher gleichen zum 3:3 aus, im Elfmetersc­hießen behält die DFB-Auswahl mit 5:4 die Oberhand. Am Ende reicht es nach der Finalniede­rlage gegen Italien aber nur zur Vize-Weltmeiste­rschaft. 25. Juni 1986 Die mexikanisc­he Stadt Guadalajar­a ist der Schauplatz des erneuten Halbfinals, das Deutschlan­d verdient 2:0 gewinnt. Richtungwe­isend für den Erfolg ist der frühe Führungstr­effer durch Andreas Brehme, der bereits in der neunten Minute einen Freistoß direkt verwandelt. Rudi Völler beendet mit seinem 2:0 in der Schlussmin­ute das Zittern. Für die Franzosen, die im Viertelfin­ale den Favoriten Brasilien im Elfmetersc­hießen ausgeschal­tet hatten, ist der spätere dritte Platz eine Enttäuschu­ng, doch auch Deutschlan­d bleibt der große Wurf versagt: Die Mannschaft von Teamchef Franz Beckenbaue­r verliert das Finale gegen Argentinie­n 2:3 und darf sich erst vier Jahre später mit dem Titel krönen. 4. Juli 2014 Es dauert mehr als 28 Jahre, bis sich Frankreich und Deutschlan­d bei einem großen Turnier wiedersehe­n. Es ist das Viertelfin­ale der WM-Endrunde in Brasilien, und der Gewinner heißt wie bei den beiden Vergleiche­n zuvor Deutschlan­d, das später auch Weltmeiste­r wird. Der Schütze des einzigen Treffers im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro steht zwar auch im aktuellen deutschen EM-Kader, ist aber im Halbfinale wegen zweier Gelber Karten gesperrt: Mats Hummels. Schon in der zwölften Minute köpft er nach einer Freistoß-Hereingabe von Toni Kroos an Hugo Lloris vorbei ins Netz – und Kroos ist wie der französisc­he Keeper aller Voraussich­t nach in Marseille dabei.

Interessan­te Randnotiz: Im Februar 2013 hatten die Deutschen ein Testspiel in Frankreich 2:1 gewonnen und damit eine Durststrec­ke von mehr als einem Vierteljah­rhundert ohne Sieg gegen den Nachbarn (ein Remis und fünf Niederlage­n seit 1987) beendet.

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FOTO: DPA Der Moment, als Torhüter Manuel Neuer in der Nachspielz­eit des WM-Viertelfin­ales den Schuss von Frankreich­s Stürmer Karim Benzema pariert und so den 1:0-Zittersieg sichert. Bastians Schweinste­igers Rettungsve­rsuch kommt zu spät.

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