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Kerber hat noch viel vor in Wimbledon

Die 28-jährige Kielerin steht zum zweiten Mal nach 2012 im Halbfinale des bedeutends­ten Tennisturn­iers. Dort trifft sie morgen auf die 36 Jahre alte Venus Williams (USA).

- VON CAI-SIMON PREUTEN

LONDON (sid) Angelique Kerber ließ ihren Schläger auf den „heiligen Rasen“fallen und fasste sich ungläubig an den Kopf, ehe sie ihrer Freude mit einem Schrei Ausdruck verlieh. In der Royal Box applaudier­te Michael Stich, der vor 25 Jahren den Centre Court von Wimbledon mit seinem Endspielsi­eg über Boris Becker erobert hatte. Nach ihrem 7:5, 7:6 (7:2) im Viertelfin­ale gegen die Rumänin Simona Halep lässt Kerber auf die Fortsetzun­g der deutschen Erfolgsges­chichte an der Church Road hoffen.

„Ich bin überglückl­ich. Es war so eng, aber alles, was zählt, ist, dass ich den letzten Punkt gemacht habe“, sagte die Kielerin: „Ich fühle mich richtig gut, genieße jeden Tag hier und glaube auch, dass ich gerade mein bestes Tennis spiele.“Und sie kündigte forsch an: „Ich will noch ein paar Matches hier machen.“Als einzige Spielerin im ursprüngli­ch 128-köpfigen Feld ist die Linkshände­rin noch ohne Satzverlus­t – und damit auch im Halbfinale favorisier­t. Dort trifft sie auf Altmeister­in Venus Williams (USA).

1999 schaffte es Steffi Graf in Wimbledon zum letzten Mal ins Finale, das sie gegen Lindsay Davenport (USA) verlor. Auf dem Weg dahin schaltete die in Las Vegas lebende und mit dem früheren US-Tennisstar Andre Agassi verheirate­te Brühlerin im Viertelfin­ale eine gewisse Venus Williams aus. Fast genau 20 Jahre ist es her, dass Graf ih- ren letzten von sieben Titeln in Wimbledon holte. Gegnerin war die Spanierin Arantxa Sanchez-Vicario. Es war das Ende der deutschen Dominanz im Londoner Bezirk SW19.

Kerber kann nun daran anknüpfen, denn anders als bei ihrem ersten Halbfinale­inzug 2012, bei dem sie gegen die Polin Agnieszka Radwanska verlor, und anders als Sabine Lisicki bei ihrem Sommermärc­hen, das 2013 erst im Finale von der Französin Marion Bartoli beendet wurde, weiß Kerber, wie es sich anfühlt, große Titel zu gewinnen. Der Sieg im Endspiel der Australian Open gegen Serena Williams Ende Januar war die Initialzün­dung, daran ändert auch das Erstrunden­Aus bei den French Open nichts.

Nach vier Pflichtsie­gen gegen Kontrahent­innen, die im Durchschni­tt auf Platz 126 in der Weltrangli­ste stehen, bestand Kerber gegen die Nummer fünf der Weltrangli­ste und frühere Paris-Finalistin ihre erste echte Bewährungs­probe. Und die mit Bravur. Kerber war stets überlegen – spielerisc­h und mental. Sobald sich Halep wieder herangekäm­pft hatte, legte die Weltrangli­sten-Vierte erneut zu. Bei den wichtigen Punkten bewies Kerber Mut und verließ ihre Komfortzon­e an der Grundlinie.

Im ersten Durchgang gab sie einmal weniger als Halep ihren Aufschlag ab, im zweiten ließ sie sich auch nicht verunsiche­rn, als sie nach einer 5:3-Führung in den Tiebreak musste. Nach 90 Minuten flog Haleps Rückhand bei Kerbers erstem Matchball ins Seitenaus. Die 28-Jährige genoss den Augenblick, der nicht ihr letzter auf dem Centre Court gewesen sein soll.

Gegen die fünfmalige Turniersie­gerin Venus Williams (36), die im Südwesten Londons die Zeit zurückdreh­t und erstmals seit sieben Jahren wieder im Halbfinale steht, folgt das nächste Highlight für Kerber. Von fünf Duellen hat die 28-Jährige drei gewonnen – dabei 2012 bei den Olympische­n Spielen in London auf dem Rasen des All England Club. Serena Williams, die jüngere Schwester von Venus, steht zum zehnten Mal im Halbfinale von Wimbledon. Für ihre Gegnerin, die Russin Jelena Wesnina, ist es das Debüt.

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