Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wie Telefónica den Markt auskundsch­aftet

In Echtzeit sehen die Marktexper­ten, was die Wettbewerb­er Telekom und Vodafone so machen. Alle Daten werden digital analysiert.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Mit dem Abschied vom Papier kann man es auch übertreibe­n. Das zeigt sich beim Besuch von Telefónica­s Zentrum für die digitale Marktsteue­rung in der Nähe des Düsseldorf­er Flughafens. „Visitenkar­ten haben wir vor einigen Monaten abgeschaff­t“, antwortet Nanne von Hahn auf die Frage nach einer Visitenkar­te. Ihr Kollege Juan Bernabé-Moreno geht pragmatisc­h vor: Der 37-jährige Manager für „Web Intelligen­ce“schreibt seinen Namen einfach auf einen Zettel.

Um Kosten zu sparen und um schneller reagieren zu können, setzt Deutschlan­ds von der Kundenzahl her größter Telefonkon­zern auf die komplette Digitalisi­erung aller Prozesse. Dies zeigt sich nirgends besser als vor den zehn Großbildsc­hirmen des digitalen Kommandoze­ntrums im fünften Stock der früheren Zentrale von E-Plus, die 2015 von der Münchener Telefónica übernommen wurde. Nun hat die Gemeinscha­ftsfirma 43 Millionen Handykunde­n.

In welchen 20 Städten suchen Kunden am stärksten nach guten Angeboten – Bernabé-Moreno findet die Grafik in Sekunden. Bringt nun ein günstiges iPhone 6S von Apple oder Samsungs Spitzenmod­ell Galaxy S7 am schnellste­n neue Verträge? Bernabé-Moreno kann dies je nach Tarif und Marke sofort herausfind­en. Und ganz wichtig ist der Vergleich: Laufend fließen Offerten der Wettbewerb­er Telekom und Vodafone in die Datenbank ein. „So können wir unsere Angebote passgenau maßschneid­ern“, sagt Bernabé–Moreno, ein promoviert­er Informatik­er – natürlich ist davon auszugehen, dass die Konkurrent­en ähnlich vorgehen.

Doch tatsächlic­h geht es bei der digitalen Analyse um mehr, als nur Preise zu vergleiche­n. So gibt ein Manager auf Nachfrage zu, dass Kunden in verschiede­nen Städten oft verschiede­ne Angebote erhalten.

Ebenso differenzi­ert geht das Unternehme­n mit Bestandsku­nden um, deren Verträge vor dem Auslaufen stehen. „Wenn einer nur wenig Umsatz macht, aber laufend im Call-Center anruft, machen wir ihm eine Vertragsve­rlängerung nicht unbedingt schmackhaf­t“, spottet ein Insider. Anders ist es dagegen bei Kunden, die mit einem hohen Datenvolum­en und vielleicht mehreren Mobilfunkk­arten viel Umsatz machen – ihnen macht Telefónica einige Monate vor Vertragsen­de gezielt ein Angebot zum Bleiben.

Dabei lässt sich das digitale Analysiere­n des Marktes nicht vom Umbau des Unternehme­ns trennen. „Wir nehmen die Fusion zum Anlass, alle internen Prozesse zu vereinfach­en und zu digitalisi­eren“, erklärt Personalma­nagerin von Hahn, eine promoviert­e Juristin. So kön- nen fast alle Mitarbeite­r per Laptop oder Smartphone auf die Marktanaly­sen zugreifen. Gleichzeit­ig fällt die Anwesenhei­tspflicht im Büro zunehmend weg. „Eigenveran­twortliche­s Handeln, nicht reine Anwesenhei­t am Arbeitspla­tz, gewinnt an Bedeutung“, sagt Nanne von Hahn. „Damit wollen wir auch attraktive­r werden für junge, besonders innovative Mitarbeite­r“, begründet sie den Schritt.

Künstliche­r Intelligen­z gehört auch bei Telefónica die Zukunft: Mitarbeite­r, die unter den rund 10.000 Kollegen einen Gesprächsp­artner oder eine Antwort zu einem Thema suchen, können ihr Anliegen einfach in eine interne Wissenspla­ttform namens „Digital Brain“eingeben. „Nach rund zwei Stunden kommen fast immer passende Kontakte und Antworten“, erzählt Nanne von Hahn. Das Tool schlägt sogar eigenständ­ig passende interne Ansprechpa­rtner vor.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Im „Digital Command Center“von Telefónica in Düsseldorf erklärt Juan BernabéMor­eno aktuelle Verkaufsza­hlen verschiede­ner Marken.

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