Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Immer weniger Schwalben in Dormagen

Die Zahl der Brutpaare in Dormagen ist stark rückläufig. Das hat indirekt auch mit Hygiene-Vorschrift­en zu tun.

- VON STEFAN SCHNEIDER

DORMAGEN Willi Schmidtsie­fen ist Naturliebh­aber und engagiert sich als ehrenamtli­cher Helfer in der Biologisch­en Station in Knechtsted­en. Dass er in Delhoven an der Schwalbens­traße wohnt, ist zwar wahrschein­lich purer Zufall, passt aber in diesem Fall wie die Faust aufs Auge. Denn Schmidtsie­fen machte unsere Redaktion auf zwei Schwalbenn­ester unter dem schützen- den Dach des Einkaufswa­genunterst­andes am Rewe-Supermarkt in Delhoven aufmerksam. Mindestens ein Schwalbenp­aar habe dort gebrütet, berichtete Schmidtsie­fen – und verband seine Beobachtun­g gleich mit einer Frage: „Ob das wohl ein Hoffnungss­chimmer ist?“Denn der Vogelfreun­d beobachtet einen starken Rückgang der Tiere in Dormagen. Früher sei das anders gewesen, erinnert sich Schmidtsie­fen: „Selbst 2011 gab es allein in Delhoven noch etwa 15 Brutpaare.“In noch frühe- ren Zeiten seien es 100 und mehr gewesen. Diplom-Biologe Michael Stevens, wissenscha­ftlicher Leiter und Geschäftsf­ührer der Biologisch­en Station in Knechtsted­en, bestätigt, dass Schwalben viel seltener geworden sind. Und der Experte hat dafür auch eine Erklärung. „Das hängt viel mit dem Viehbestan­d zusammen“, sagt Stevens. Durch Konzentrat­ion auf Großbetrie­be sinke die Zahl der viehhalten­den Bauernhöfe. Gerade dort aber hätten die Schwalben in Form von dicken Fliegen, Bremsen und anderen besonders in der Viehwirtsc­haft häufig anzutreffe­nden Fluginsekt­en ihre Nahrung gefunden.

Indirekt hat der Schwalbenr­ückgang laut Stevens auch mit der Gesetzgebu­ng zu tun. Früher seien Kuhställe offen gewesen, Rauchschwa­lben hätten dort auch bei schlechtem Wetter sehr gut Beute jagen können. Heute müssten die Kuhställe in der Regel aufgrund von Hygiene-Vorschrift­en abgeriegel­t sein – neben den Insekten blieben so auch die Schwalben außen vor. Immerhin: Durch Pferdebetr­iebe, für die die Anordnunge­n in diesem Punkt nicht so streng seien, werde diese Entwicklun­g zum Teil kompensier­t.

Erschrecke­nd aber: Stevens benennt als weiteren Faktor – der nicht nur Schwalben das Überleben schwer macht – dramatisch­e Rückgänge bei den Fluginsekt­en insgesamt. „Seit Mitte der 1980er Jahre ist die Biomasse in diesem Sektor um 70 bis 80 Prozent gesunken“, berich- tet Stevens. Das hätten wissenscha­ftliche Auswertung­en gezeigt. Nicht zuletzt die Folge von Pflanzensc­hutzmittel-Einsatz, meint der Biologe.

1991 und 2011 hat es in Stürzelber­g Erhebungen der Brutbestän­de von Mehl- und Rauchschwa­lben gegeben. Die zweite Untersuchu­ng von Frederik Sachser im Rahmen seiner Bachelorar­beit war von Michael Stevens begleitet worden. Schon innerhalb dieses Zeitraums von 20 Jahren war ein Rückgang der Schwalbenb­estände um 31,5 Prozent festgestel­lt worden. In Delhoven zwischen Schule und Feuerwache hatten Naturschüt­zer vor einigen Jahren ein Schwalbenh­aus errichtet, um die Vögel zu unterstütz­en. Es sei von den Tieren aber nicht angenommen worden, erzählt Willi Schmidtsie­fen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany