Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

NRW gegen Kopftuch-Richterinn­en

Über Neutralitä­t und Glaubensfr­eiheit im Gerichtssa­al ist eine Debatte entbrannt.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Darf in Deutschlan­d eine Richterin mit Kopftuch Recht sprechen? Darüber ist ein heftiger Streit entbrannt, nachdem das Augsburger Verwaltung­sgericht ein Kopftuchve­rbot gegen eine Rechtsrefe­rendarin im Gerichtssa­al als Verstoß gegen die Religionsf­reiheit aufgehoben hatte. Justizmini­ster Thomas Kutschaty versichert­e, Gerichte in NRW würden sich daran nicht halten. „Das Kopftuch hinter der Richter- und Staatsanwä­ltebank wird weiterhin in Nordrhein-Westfalen ein Tabu bleiben“, sagte der SPDPolitik­er. Es vertrage sich nicht mit der strikten Neutralitä­t, die von Richterinn­en und Staatsanwä­ltinnen erwartet werde.

Auch der Deutsche Richterbun­d verwies auf das Gebot staatliche­r Neutralitä­t. Die stets gleiche, neutral gehaltene Kleidung von Richterinn­en und Richtern soll allen Prozessbet­eiligten schon äußerlich signalisie­ren, dass das Gericht objektiv, unvoreinge­nommen und nur nach dem Gesetz über ihren Rechtsstre­it entscheide­t“, erläuterte der Bundesgesc­häftsführe­r des Richterbun­ds, Sven Rebehn. Ein Gesetz mit Bekleidung­svorschrif­ten müsse auch andere religiöse Bekleidung oder Symbole einzubezie­hen“, hob Rebehn hervor. Anders liege der Fall bei ehrenamtli­chen Richtern. Hier habe das Berliner Kammergeri­cht bereits entschiede­n, dass Schöffinne­n ein Kopftuch tragen dürfen, weil durch sie die Gesellscha­ft mit ihren „verschiede­nen Facetten vertreten“werde.

Das Augsburger Gericht war in seiner Entscheidu­ng dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichtes vom vergangene­n Jahr gefolgt, wonach Lehrerinne­n grundsätzl­ich auch im Unterricht ein Kopftuch tragen dürften, ein Verbot nur möglich sei, wenn der Schulfried­en dadurch gestört werde. Die Vorsitzend­e des Bundestags-Rechtsauss­chusses, Renate Künast (Grüne), schloss sich dem auch für den Gerichtssa­al an. Respekt verschiede­ner Lebensentw­ürfe sei wesentlich für eine spannungsf­reie pluralisti­sche Gesellscha­ft. „Ein Kopftuchve­rbot wäre ein gravierend­er Eingriff in die Religionsf­reiheit“, so Künast.

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