Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

CDU verspricht Steuervort­eile für Mittelschi­cht

Der Wahlkampf hat begonnen: Für mittlere Einkünfte verspreche­n alle Parteien Entlastung – aber wie die finanziert wird, ist umstritten.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Ein gutes Jahr vor der Bundestags­wahl haben die Parteien die Mittelschi­cht entdeckt. Sie sei in den vergangene­n Jahren „unter die Räder“gekommen, sagte der Chef der CDU/CSU-Mittelstan­dsvereinig­ung, Carsten Linnemann, gestern in Berlin. Deshalb wolle die Union in der kommenden Wahlperiod­e „gerade Normalverd­iener und Familien“steuerlich entlasten.

In den anderen Parteien hört sich das ähnlich an. „Für die SPD steht die Entlastung für kleinere und mittlere Einkommen sowie die Unterstütz­ung Alleinerzi­ehender im Zentrum“, sagte Fraktionsv­ize Carsten Schneider. „Kleine und mittlere Einkommen und besonders Familien sollten entlastet werden. Das stimmt“, meinte Grünen-Fraktionsv­ize Kerstin Andreae. Dass die FDP für die Steuerentl­astung der Mittelschi­cht wirbt, liegt ohnehin in ihrer DNA. Auch für die AfD ist die Entlastung der Mittelschi­cht eines der wichtigste­n Ziele. Und selbst die Linken sehen Entlastung­sbedarf, gerade am unteren Ende.

Parteien nehmen vor Wahlen regelmäßig die Mittelschi­cht ins Visier, schließlic­h finden sich hier die meisten Wähler. Tatsächlic­h schultern untere und mittlere Einkommen schon immer die mit Abstand größte Last im deutschen Steuerund Abgabensys­tem. Entlastung­en an dieser Stelle kosten den Staat besonders viel, sie summieren sich schnell in zweistelli­ge Milliarden­höhen. Deshalb sehen Politiker nach Wahlen von angekündig­ten Entlastung­en der Mitte gern wieder ab. Die Frage, ob ein Konzept wirklich umgesetzt wird, hängt davon ab, wie finanzierb­ar es ist – oder ob eine Gegenfinan­zierung durchsetzb­ar ist. (Entlastung für verschiede­ne Personengr­uppen)

Nach den Grünen und der CSU legte gestern als dritte die Mittelstan­dsvereinig­ung MIT von CDU/ CSU ein eigenes Steuerkonz­ept vor. Die SPD will im September folgen. Ihr Konzept soll dann auf dem Bundespart­eitag im Oktober beschlosse­n werden. Die MIT will ihres auf dem CDU-Parteitag im Dezember zur Abstimmung stellen. Fest steht: Alle Parteien wollen mit relativ konkreten Steuerentl­astungskon­zepten für die Mittelschi­cht in den Bundestags­wahlkampf 2017 starten.

Das MIT-Konzept sieht vor, die Bürger in der Endstufe ab 2020 um jährlich über 33 Milliarden Euro zu entlasten. Im ersten Schritt soll schon 2018 der Arbeitnehm­erPauschbe­trag, mit dem Werbungsko­sten pauschal abgegolten sind, von 1000 auf 2000 Euro steigen. Dadurch würden die Bürger um 7,5 Milliarden Euro entlastet. Im zweiten Schritt soll der Spitzenste­uersatz von 42 Prozent erst bei 60.000 Euro Jahreseink­ommen greifen. Das soll die Bürger um weitere 25,8 1. Stufe Anhebung der Arbeitnehm­erpauschal­e von derzeit 1000 auf 2000 Euro. Milliarden Euro entlasten. Im dritten Schritt sollen 2020 Kinderfrei­betrag und Kindergeld angehoben werden. Die MIT-Pläne seien „ambitionie­rter“als das CSU-Konzept, das Bayerns Finanzmini­ster Markus Söder vor zwei Wochen vorgestell­t hatte, sagte Linnemann. Söder sah eine Entlastung­swirkung von lediglich zehn Milliarden Euro pro Jahr vor. Die CSU will höhere Steuersätz­e früher greifen lassen, dafür aber ein Baukinderg­eld einführen und den Solidaritä­tszuschlag ab 2020 schrittwei­se abbauen. Das wolle die MIT zusätzlich, sagte Linnemann.

Die Frage wird jedoch sein, ob die CDU im Dezember und darauf folgend CDU und CSU den ehrgeizige­n MIT-Plänen folgen. Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU), auf dessen Wort es ankommen wird, sieht jedenfalls Spielraum für 15 Milliarden Euro Entlastung im Jahr.

Die SPD beschäftig­t derweil vor allem die Gegenfinan­zierung. Sie will höhere Einkommen mehr als bisher belasten, indem der Spitzen- steuersatz für höhere Einkommen auf bis zu 49 Prozent steigt und die „Treppe“zur Reichenste­uer entfällt. Zudem wollen Parteilink­e eine Vermögenst­euer durchsetze­n, die SPDChef Sigmar Gabriel aber ablehnt. Fest steht, dass die Abgeltungs­teuer auf Kapitalert­räge abgeschaff­t werden soll. Auch soll der Steuerbetr­ug schärfer geahndet werden.

„Für die SPD geht es um eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen, die sich aber nicht ohne Gegenfinan­zierung umsetzen lässt, weil wir zugleich hohen Investitio­nsbedarf haben. Deshalb brauchen wir neben der Bekämpfung des Steuerbetr­ugs eine moderate Anhebung im Bereich hoher Einkommen“, sagte NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans (SPD). Eine Entscheidu­ng sei noch nicht gefallen. „Der Unterschie­d ist aber klar: Wir reden über Steuergere­chtigkeit, während die Union mal wieder reine Steuersenk­ungen ohne Gegenfinan­zierung ankündigt und dann doch nicht macht, auch weil die Vorschläge unseriös sind“, sagte SPD-Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel.

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