Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Immer mehr Flüchtling­e lassen sich taufen

- VON MARKUS PLÜM

BERLIN Massentauf­en mit bis zu 100 Asylbewerb­ern – seit Jahresbegi­nn häufen sich derartige Berichte. Besonders in Hamburg werden von iranisch-christlich­en Gemeinden ganze Schwimmbäd­er dafür angemietet. Und auch der See im dortigen Stadtpark musste bereits als überdimens­ionales Taufbecken herhalten. Fließbanda­rbeit im Namen Gottes.

Derweil registrier­en auch die katholisch­e Kirche und die evangelisc­hen Landeskirc­hen ein gesteigert­es Taufintere­sse bei Flüchtling­en. Konkrete Zahlen können beide zwar nicht nennen, der Aufenthalt­sstatus eines Taufintere­ssenten werde nicht erfasst, heißt es. Eine Umfrage unserer Redaktion bei sämtlichen 27 katholisch­en Bistümern und 20 evangelisc­hen Landeskirc­hen in der Bundesrepu­blik hat aber ergeben: Schätzungs­weise etwa 1200 Asylbewerb­er, größtentei­ls aus dem Iran und Afghanista­n, haben sich in diesem Jahr mit einem Taufbegehr­en an die jeweiligen Gemeinden gewandt. Zahlen, die Mitarbeite­r vor Ort oft vor große – nicht nur sprachlich­e – Herausford­erungen stellen.

Wie Joachim Bundschuh. Der Pfarrer ist Referent für Gemeinde anderer Sprachen und Herkunft am „Zentrum Oekumene“der hessischen Landeskirc­hen in Frankfurt am Main. Er kennt die vielfältig­en Anliegen der Asylbewerb­er. „Es sind viele darunter, die schon im Iran im Untergrund als Christen gelebt haben und hier ihren Glauben endlich frei ausleben können. Andere wie- derum haben einen repressive­n Islam erlebt und möchten damit brechen.“Und auch die erlebte Freundlich­keit bei ihrer Aufnahme in Deutschlan­d sei für viele ein ausschlagg­ebender Punkt, heißt es vonseiten des Bistums Essen.

Doch es gibt auch Anwärter mit deutlich pragmatisc­heren Motiven. Mancher Asylbewerb­er erhofft sich durch die Taufe nämlich einen positiven Effekt auf seinen Asylantrag. Der Glaubensüb­ertritt soll eine Abschiebun­g verhindern, da als gläubiger Christ im Heimatland Leib und Leben in Gefahr wären. Diese Fälle sind nach Auskunft der Kir- chen zwar in der klaren Minderheit – aber es gibt sie. Daher hat beispielsw­eise das Bistum Aachen eine Handreichu­ng mit Handlungse­mpfehlunge­n herausgege­ben. Diese gelten in den meisten katholisch­en Bistümern als Leitfaden für die Mitarbeite­r an der Basis. Fast gleichlaut­end sind die Vorgaben der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d an die Aktiven in den Landeskirc­hen.

Grundsätzl­iche Praxis: Jeder Taufintere­ssent muss in bis zu einjährige­n Kursen seine Motive darlegen, die Biografien der Asylbewerb­er werden genauesten­s beleuchtet. Unter anderem sollte „der neue Joachim Bundschuh Glaube auf dem alten aufbauen“, heißt es etwa im Aachener Papier. Zudem werde bereits eingangs darauf hingewiese­n, dass eine Taufe nicht automatisc­h zu einem positiven Asylbesche­id führt. Für das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e stellt sie nämlich einen „selbst geschaffen­en Nachflucht­grund“dar. Demnach muss der Glaubensüb­ertritt eine Folgehandl­ung einer bereits „im Heimatstaa­t vorhandene­n und erkennbar betätigten festen Überzeugun­g“sein. Sprich: Der Asylbewerb­er muss glaubhaft darlegen, dass er bereits vor seiner Flucht Christ sein wollte. Erst dann kommt es auch zur Schutzgewä­hrung.

Dennoch sei es „nicht immer leicht herauszufi­nden, ob eine Person aus dem Grunde, hier Asyl zu bekommen, eine Konversion in Erwägung zieht“, sagt Timo Güzelmansu­r. Er ist Geschäftsf­ührer der Christlich-Islamische­n Begegnungs- und Dokumentat­ionsstelle, die direkt der Deutschen Bischofsko­nferenz unterstell­t ist. „Eine intensive Taufvorber­eitung ist daher umso wichtiger.“

Schließlic­h gehe es nicht darum, wie in Hamburg „vom Anmelden im Pfarrbüro direkt ans Taufbecken“zu gehen, wie es Robert Eberle vom Erzbistum Freiburg ausdrückt. Anderersei­ts müsse dies auch umgekehrt gelten, betont Joachim Bundschuh: „Eine Taufentsch­eidung muss aus dem innersten Herzen kommen und nicht vorschnell abgehandel­t werden. Daher laufen wir auch nicht herum und christiani­sieren Muslime.“

„Wir laufen nicht herum und christiani­sieren Muslime“ „Zentrum Oekumene“Frankfurt a. M.

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