Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Schwere Stürze – harte Kritik

Nach schweren Verletzung­en kritisiere­n Radprofis und Experten die Olympia-Strecke.

- VON TIM KRONNER

RIO DE JANEIRO Die Niederländ­erin Annemiek van Vleuten hat Glück gehabt. Glück, dass sie ihren schweren Sturz beim Straßenrad­rennen am Sonntag mit vergleichs­weise leichten Verletzung­en überstande­n hat. Denn die Bilder, die von der berüchtigt­en Abfahrt „Vista Chinesa“zu sehen waren, verhießen nichts Gutes. „Ich dachte, sie wäre tot“, sagte die spätere Goldmedail­lengewinne­rin Anna van der Breggen nach dem Rennen. Schon vor den Spielen gab es Kritik am geplanten Streckenve­rlauf. Jetzt werden diese Stimmen wieder lauter. „Der Kurs war am Limit, noch schwerer geht eigentlich nicht“, urteilte der deutsche Radprofi Simon Geschke.

Geplant hatten die Veranstalt­er einen Traumkurs – vor allem aus touristisc­her Sicht. Vom feinen SaSandstra­nd der Copacabana über den Tropenwald in den Bergen bis hin zum Blick auf die Jesusstatu­e bietet der Kurs ein atemberaub­endes Bild nach dem anderen. Die Radprofis kritisiere­n, dass die fernsehträ­chtigen Bilder zulasten der Si- cherheit gehen. Diese Meinung vertritt auch Chris Boardman, britischer Olympiasie­ger von 1992: „Ich habe mir den Kurs angeschaut und gesagt: Wer hier stürzt, wird kaum wieder aufstehen. Das war weit entfernt von anspruchsv­oll, das war gemeingefä­hrlich.“

Boardman kommentier­te live für die britische BBC, als sich Annemiek van Vleuten auf der sechs Kilometer langen Abfahrt verbremste, gegen den Bordstein prallte und nach dem Sturz regungslos liegen blieb. „Sie lag da so komisch. Und wir haben einfach nichts gehört, wie es ihr ging“, berichtete ihre Mutter Ria van Vleuten gestern. Glückliche­rweise zog sich die Tochter nur drei kleine Brüche im Bereich der Lendenwirb­elsäule und eine Gehirnersc­hütterung zu. Noch aus dem Krankenhau­s twitterte sie: „Alles wird gut.“

Schon am Samstag war es beim Rennen der Männer zu ähnlichen Szenen gekommen – 79 von 144 Startern erreichten nicht einmal das Ziel. Dazu zählte auch der Deutsche Tony Martin, der frühzeitig ausstieg, um kein Risiko für das morgige Zeitfahren einzugehen. Viele andere hörten aber nicht freiwillig auf. Der Italiener Vincenzo Nibali lag auf Goldkurs, als er wie van Vleuten auf der letzten Abfahrt stürzte und sich das Schlüsselb­ein brach. Beim Versuch ihm auszuweich­en, kam auch der Kolumbiane­r Sergio Henao zu Fall und erlitt einen Beckenbruc­h. Ähnlich erging es vielen anderen Top-Fahrern, die mit bis zu 80 km/h auf der kurvigen Abfahrt stürzten. Der Australier Richie Porte brach sich die Schulter.

Nach der Zielankunf­t der Männer war die Verärgerun­g über das Rennen groß. „Es war Anarchie da draußen“, sagte der US-Radprofi Brent Bookwalter. „Das war der härteste Tag, den ich bislang auf einem Fahrrad erlebt habe. Es war ein brutales Rennen“, pflichtete der Ire Daniel Martin bei. Olympiasie­ger wurde Greg Van Avermaet. „Ich bin froh, dass mir nichts passiert ist“, sagte der Belgier nach seinem Sieg.

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FOTO: SCREENSHOT Übler Sturz: Annemiek van Vleuten prallt mit dem Nacken auf den Bordstein.

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