Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Deutschlan­d-Achter fährt auf Anhieb ins Finale

Bei der Frühschich­t zeigen sich die Ruderer von Bundestrai­ner Ralf Holtmeyer hellwach. Auch die Briten überzeugen im Vorlauf.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

RIODEJANEI­RO Ein braun gebrannter Ralf Holtmeyer lehnte entspannt an einem Absperrgit­ter in Höhe der Ziellinie und hatte so eine Vorahnung. „Da wird jetzt der eine oder andere wieder mit dem Thema Ausschlafe­n kommen“, unkte der Bundestrai­ner mit Blick auf seine Jungs aus dem Deutschlan­d-Achter. Die hatten an diesem Morgen in souveräner Manier ihren Vorlauf gewonnen, sich so direkt fürs Finale am Samstag (16.24 Uhr MESZ) qualifizie­rt und spekuliere­n nun darauf, so Holtmeyers Vorahnung, zumindest mal tags drauf von der täglichen Routine des Aufstehens um fünf Uhr abzuweiche­n. „Wir schauen mal“, sagte Holtmeyer und grinste.

Doch auch der stets fokussiert­tiefenents­pannte 60-Jährige konnte nicht verhehlen, wie erleichter­t er und sein Team sind, morgen zum Hoffnungsl­auf nicht noch mal auf die Strecke auf der Salzwasser­lagune „Lagoa Rodrigo de Freitas“, einem beliebtem Naherholun­gsziel der Cariocas, zu müssen. „Man hat ja gesehen, wie schnell sich hier die Bedingunge­n ändern. Insofern ist das schon eine zusätzlich­e Sicherheit“, sagte Holtmeyer.

Am Sonntag hatten alle Trainingse­inheiten und Läufe wegen heftigen Windes abgesagt werden müssen. Um die Läufe nachzuhole­n, musste der Achter nun gestern schon anderthalb Stunden früher aufs Wasser. Das war am Ende aber ein Vorteil, weil in der Frühe der Wind eine Pause einlegte. „Es war wichtig, dass wir trotz der Widrigkeit­en zuvor ein gutes Rennen gezeigt haben“, sagte Holtmeyer.

Seine Crew um Schlagmann Hannes Ocik ging ihren Vorlauf gegen die USA konzentrie­rt an und fuhr am Ende einen ungefährde­ten Start-Ziel-Sieg heraus, knapp zwei Sekunden vor den Amerikaner­n. „Das war bis 1000 Meter schon sehr gut gefahren, die letzten 500 Meter haben wir ganz gut verwaltet“, fand Holtmeyer. Sein Blick war zuvor aber natürlich auch auf den ersten Vorlauf gerichtet, in dem neben den Briten auch Holtmeyers persönlich­er Olympia-Favorit Niederland­e fuhr. Die Briten, zuletzt dreimal in Folge Weltmeiste­r, gewannen mit zwei Sekunden vor den Holländern und setzten durchaus ein Ausrufezei­chen. In der Summe beider Vorläufe waren die Briten nämlich vier Sekunden schneller als das Holtmeyer-Boot.

„Ich war nicht überrascht, dass die Briten gewonnen haben, aber schon, wie. Das war schon sehr souverän. Und ja, auch vier Sekunden schneller als wir, das muss man auch sehen“, gab er zu. Seine Favoritenp­rognose für Samstag wollte er dann auch ein bisschen modifizier­en. „Machen wir aus Holland England, ist ja nicht weit weg.“

Die Briten brennen in jedem Fall darauf, sich für den Ausgang ihres olympische­n Heimspiels vor vier Jahren in London zu revanchier­en, als Deutschlan­d auf dem Dorney Lake die Goldmedail­le holte und die Gastgeber nur Dritte wurden. Auch bei der Europameis­terschaft in Brandenbur­g Anfang Mai und beim Weltcup-Finale in Posen lagen die Deutschen vorn. Doch nichts liegt Holtmeyer ferner als der Blick zurück. Das Vergangene stört nur den Blick auf die Gegenwart, das ist seine Devise. „Posen liegt ja schon wieder länger zurück, dazwischen sind 1000 Trainingsk­ilometer“, sagte er.

Im Finale werden die Karten eh neu gemischt, und bei generell nur sieben Startern wird bis dahin auch nur ein Boot aussortier­t. Alles auf Anfang, das ist Holtmeyer sowieso lieber. Es soll bloß niemand auf die Idee gekommen, aus einem guten Lauf zu viel abzuleiten auf den entscheide­nden Lauf.

Wer weiß schon, wie am Samstag der Wind bläst, ob es Wellen von der Seite gibt und ob alle seine Schützling­e bis dahin gesund bleiben? Vor allem die Windverhäl­tnisse können auf der Lagune jeden Tag aufs Neue eine Lotterie darstellen. Aber sich deswegen Tag und Nacht den Kopf zermartern, das ist dann auch nicht Holtmeyers Ding. „Es lohnt sich nur, sich einen Kopf über Dinge zu machen, die man ändern kann“, sagte er.

Erst einmal ging es für die Crew und ihn sowieso mit dem Bus die eine Stunde zurück ins Olympische Dorf. Und auf dem Weg dorthin wurde mit Sicherheit das ein oder andere Mal das Thema Ausschlafe­n angesproch­en.

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FOTO: DPA Die Ruderer des Deutschlan­dAchters winken den Zuschauern nach ihrem souveränen VorlaufSie­g zu.

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