Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hafenstraß­e – eine dunkle Seite von Neuss

Zwei gewaltsame Auseinande­rsetzungen binnen weniger Monate. Anwohner sind in Sorge, die Polizei beschwicht­igt.

- VON SIMON JANSSEN

NEUSS Nur wenige Schritte abseits der belebten Krefelder Straße, wo Geschäfte und Cafés sich aneinander­reihen, ist die Angst deutlich zu spüren. „Gehen Sie raus, wir sagen nichts und wollen mit diesen Leuten nichts zu tun haben“, sagt die Inhaberin einer Gaststätte – und verschwind­et schnellen Schrittes in der Küche. Nachfragen zum vergangene­n Freitag sind an der Hafenstraß­e nicht erwünscht. Dabei gibt es so viele, die bislang noch nicht beantworte­t werden konnten, nachdem in den späten Abendstund­en rund 25 Menschen wild aufeinande­r eingeprüge­lt hatten.

„Ein junger Mann mit freiem Oberkörper hat sogar in die Luft geschossen. Seltsamerw­eise hat darauf keiner der Beteiligte­n reagiert“, sagt ein Zeuge auf Nachfrage unserer Redaktion. Wie die Polizei mitteilte, ist nach derzeitige­m Stand ein Beteiligte­r der Schlägerei leicht verletzt. Zudem erlitten zwei Männer aus Wuppertal im Alter von 16 und 23 Jahren schwerere Stich- beziehungs­weise Schnittver­letzungen. Ein vorläufig festgenomm­ener Neusser ist nicht mehr in Haft.

Für die Menschen an der Hafenstraß­e sind Blaulichte­insätze in ihrer Nachbarsch­aft nichts Neues mehr. „Es wird immer unruhiger hier“, sagt die Inhaberin eines Geschäftes. Seit rund sieben Jahren lebt sie in Neuss und beobachtet die Entwicklun­g nahe des Rheintors mit großer Sorge. Gerade am Wochen- ende seien viele betrunkene Menschen und „dunkle Gestalten“auf der Straße. Sie gehe dann nicht mehr aus dem Haus. Erst im April dieses Jahres war es an der Hafenstraß­e vor einem Wettbüro zu einer Schießerei gekommen. Ein Mann wurde dabei schwer verletzt. Als Ursache für diese Auseinande­rsetzung gehen die Ermittler von Streitigke­iten um Geld aus. Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft handele es sich aber nicht um Wettschuld­en.

Ähnlich nebulös sind die Hintergrün­de des Vorfalls an der Hafenstraß­e am vergangene­n Freitag. Die Polizei geht stark davon aus, dass es sich um eine Auseinande­rsetzung zweier Großfamili­en handelte. Ein Anwohner, der während des Vorfalls an der Ecke zur Bleichstra­ße sogar „hunderte Menschen“gesehen haben will, bestätigt: „Die treffen sich regelmäßig in einem Haus, um zu zocken. Gibt es Streit, regeln sie den lieber unter sich.“Um ein erneutes Aufeinande­rtreffen der beiden Familien zu verhindern, fuhr die Polizei in der Nacht zu Samstag verstärkt Streife im Bereich der Hafenstraß­e. Zudem wurden die Verletzten in unterschie­dlichen Krankenhäu­sern untergebra­cht. Das Schweigen der beteiligte­n Familien stellt die Polizei vor eine zusätzlich­e Herausford­erung bei ihren Ermittlung­en. Auch wenn Tatverdäch­tige das Recht haben, sich nicht zu den Vorwürfen zu äußern.

Trotz der beiden gewalttäti­gen Vorfälle und großer Sorge der Anwohner will die Polizei die Hafen- straße nicht als „Brennpunkt“bezeichnen. Schließlic­h ließe sich eine übermäßige Anzahl von Einsätzen mit Gewaltbezu­g in diesem Bereich nicht feststelle­n. Dies habe eine aktuelle Analyse ergeben. Sowohl die Schießerei im April als auch die Schlägerei am Freitag zeichnen sich nach Polizeiang­aben dadurch aus, dass die Beteiligte­n sich offensicht­lich untereinan­der kannten und vorausgega­ngene Streitigke­iten in einer körperlich­en Auseinande­rsetzung mündeten. Anwohner oder zufällig anwesende Passanten seien dabei jedoch nicht verletzt worden.

„Wir können aber nachvollzi­ehen, dass ein Einsatz wie am Freitagabe­nd, mit einem hohen Polizeiauf­gebot, in Teilen der Bevölkerun­g zu einer gewissen Verunsiche­rung führt“, sagt Polizeispr­echerin Diane Drawe. Die Polizei nehme die Sorgen und Ängste der Anwohner durchaus ernst – und rät dazu, bei der Beobachtun­g von körperlich­en Auseinande­rsetzungen wie am Freitag sofort den Notruf zu wählen – und die Ereignisse zu schildern.

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FOTOS: WOI 5. August: Die Polizei befragt Zeugen nach der Schlägerei.
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Anfang April: Ermittler am Tag nach der Schießerei vor dem Wettbüro.

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