Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mit Auswandere­rn auf Glückssuch­e

Seit zehn Jahren begleitet die Doku-Soap „Goodbye Deutschlan­d!“Menschen in eine neue Heimat – meistens mit viel Häme.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

KÖLN Um vom Privatsend­er Vox bei der Suche nach einer neuen Heimat mit der Kamera begleitet zu werden, gilt es – etwas zugespitzt – nur ein paar einfache Regeln zu beachten. So sollten Menschen, die „Goodbye Deutschlan­d!“sagen wollen, erstens das Land ihrer Träume eher nicht bereist haben, zweitens die Landesspra­che so wenig wie möglich beherrsche­n, drittens möglichst knappe finanziell­e Rücklagen besitzen, viertens beruflich gescheiter­t sein und fünftens eine Geschäftsi­dee im Gepäck haben, deren Erfolgsaus­sichten gleich null sind (Sonnenstud­io auf Mallorca, kein Scherz). Hilfreich wäre noch eine Ehekrise und/ oder Liebesbezi­ehung mit einem Ausländer, die auf falschen Versprechu­ngen respektive Vorstellun­gen beruht. So wird das Auswandern garantiert zur menschlich­en Tragikomöd­ie – und zum Quotenhit.

Seit mittlerwei­le zehn Jahren und 400 Sendungen hängt sich Vox erfolgreic­h an bislang mehr als 350 Abenteuerl­ustige, Gescheiter­te und Frustriert­e, die ihr Land verlassen wollen. Vordergrün­dig geht es bei „Goodbye Deutschlan­d!“darum, sie bei den ersten beschwerli­chen Schritten im Ausland zu begleiten. Hilfestell­ung leistet das Team aber nur in den seltensten Fällen. Stattdesse­n weidet sich das Format daran, wie Abschiedss­chmerz, Heimweh, scheinbar unüberwind­bare bürokratis­che Hürden, finan- zielle Nöte und kommunikat­ive Hilflosigk­eit die Auswandere­r in seelische Abgründe stürzen. Kaum eine Sendung ohne Tränen, Trennungen und Tohuwabohu, gerne aus dem Off hämisch kommentier­t. Standardsa­tz: „Familie XY konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass alles ganz anders kommen würde.“

Das alleine erklärt jedoch nicht den Erfolg. Zum einen ist es wohl die Mischung aus Faszinatio­n und Fremdschäm­en, die die Macher von „Goodbye Deutschlan­d!“perfektion­iert haben. Tatsächlic­h ist es aufregend, Menschen bei den ersten Schritten in ein neues Leben zuzusehen, sozusagen stellvertr­etend für die eigenen, nie verwirklic­hten Ambitionen. Die Zahl der Auswandere­r in Deutschlan­d ist in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich gestiegen, 2015 haben fast eine Million Menschen das Land verlassen. Zum anderen beruhigt die Serie aber alle Stubenhock­er: Erzählt werden überwiegen­d Geschichte­n vom Scheitern. Zu Hause ist es immer noch am schönsten, lautet damit die absurde Quintessen­z der Reihe.

Anderersei­ts hat die Serie auch Erfolgstyp­en generiert. Allen voran Konny Reimann, der dank Greencard mit der Familie 2004 nach Texas auswandert­e und dort eigenhändi­g ein Paradies samt Leuchtturm zimmerte. Nebenbei eroberte Kauz Konny die Herzen der Zuschauer, machte seinen Namen zur Marke und angelte sich so hochdotier­te Werbevertr­äge, dass er nun zum zweiten Mal „auswandert­e“– von Texas nach Hawaii. Groß geworden durch „Goodbye Deutschlan­d!“ist auch Daniela Katzenberg­er, deren erste, fast rührend naive Versuche, in den USA eine Karriere als Playboy-Girl zu starten, die Reihe dokumentie­rte. Später begleitete Vox die Blondine beim Aufbau ihres „Café Katzenberg­er“auf Mallorca, der Grundstein für ihre TV-Karriere als Glamour- und Glitzer-Queen.

Zum Antihelden dagegen wurde Jens Büchner, kurz Mallorca-Jens, dessen Auswanderu­ng mit seiner Frau Jenny in ein Fiasko mündete: Scheidung, Pleite, unerträgli­che Ballermann-Auftritte, in aller Ausführlic­hkeit vor einem Millionenp­ublikum ausgebreit­et. Immerhin bietet „Goodbye Deutschlan­d!“seinen Protagonis­ten, wenn sie so monumental scheitern wie Mallorca-Jens, die mediale Popularitä­t als Hintertürc­hen. Damit sich das Auswandern doch noch auszahlt.

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FOTO: VOX Eine der wenigen Erfolgsges­chichten der Serie: Die Reimanns (v. l.: Manuela, Konny, Jason und Janina) aus Hamburg haben sich erst in Texas ein Anwesen aufgebaut und sind jetzt weitergewa­ndert nach Hawaii.

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