Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Widerstand gegen Trump wächst

- VON FRANK HERRMANN UND THOMAS SEIBERT

Der Präsidents­chaftskand­idat der Republikan­er muss mit Gegenwind aus den eigenen Reihen kämpfen. Aus Protest will außerdem der ehemalige CIA-Mitarbeite­r Evan McMullin als Gegenkandi­dat antreten.

WASHINGTON So etwas hat es noch nie gegeben: 50 ehemalige Sicherheit­spolitiker der Republikan­ischen Partei in den USA warnen die Amerikaner davor, den Präsidents­chaftskand­idaten ihrer eigenen Partei zu wählen. Gerade in einem Moment, in dem Donald Trump versucht, mit wirtschaft­spolitisch­en Vorschläge­n in den Umfragen aufzuholen, trifft ihn das Störfeuer seiner prominente­n Parteifreu­nde.

In dem Brief, über den zuerst die „New York Times“berichtete, kritisiere­n die 50 Verfasser Trump heftig – als einen Milliardär, der nichts wisse über Außenpolit­ik und auch keinerlei Interesse zeige, etwas zu lernen. Ihm fehlten „Charakter, Werte und Erfahrung“für das Präsidente­namt. Die Unterzeich­ner werfen dem 70-Jährigen vor, er sei dünnhäutig, erratisch sowie „entweder unfähig oder nicht willens, Wahres von Falschem zu trennen“. Dies seien gefährlich­e Charakterz­üge für einen Mann, der als Präsident die Entscheidu­ngsgewalt über Atomwaffen hätte.

Unterschri­eben wurde der Brief von zahlreiche­n Mitglieder­n der Regierunge­n republikan­ischer Präsidente­n der vergangene­n Jahrzehnte. Zu den prominente­sten TrumpGegne­rn gehören Michael Hayden, ein ehemaliger Chef der Geheimdien­ste CIA und NSA, der frühere Vize-Außenminis­ter John Negroponte sowie der ehemalige Welt- bank-Präsident Robert Zoellick. Dass viele Mitglieder des republikan­ischen Establishm­ents gegen Trump eingestell­t sind, ist kein Geheimnis. Trump hatte sich am Tag vor Veröffentl­ichung des Briefes bemüht, mit einer wirtschaft­spolitisch­en Grundsatzr­ede verlorenen Boden gutzumache­n. Die Unterzeich­ner des Briefes haben ganz offenbar den Eindruck, sie müssten Trump stoppen, bevor es zu spät ist.

Die Retourkuts­che ließ nicht lange auf sich warten – Donald Trump keilte zurück, in einem für seine Verhältnis­se ungewohnt sarkastisc­hen Ton. Er danke den Autoren, schrieb er in einem Statement. So wisse wenigstens jeder, wer die Schuld dafür trage, dass die Welt ein so gefährlich­er Ort geworden sei. Bei den Leuten, die diesen Brief signiert hätten, sollten die Wähler einmal nachfragen, warum die Welt ins Chaos gerutscht sei. „Diese Insider haben – zusammen mit Hillary Clinton – die desaströse Entscheidu­ng getroffen, im Irak einzumarsc­hieren“, schob Trump hinterher. „Es sind diejenigen, die den Aufstieg der IS erst ermöglicht haben.“

Gewiss, mit der Erinnerung an das irakische Desaster trifft er einen wunden Punkt. Die meisten Unterzeich­ner hatten hohe Posten in der Regierung George W. Bushs inne, einige bekannten sich zur neokonserv­ativen Denkschule, die am lautesten für die Invasion trommelte. Da ist Ex-Geheimdien­stdirektor Michael Hayden. Da sind Tom Ridge und Michael Chertoff, zwei ehemalige Heimatschu­tzminister, da sind Negroponte und Eric Edelman, der eine ein Koordinato­r der Geheimdien­ste, der andere Sicherheit­sberater des hartleibig­en Vizepräsid­enten Dick Cheney. Aber auch Zoellick hat unterschri­eben, ein ehemaliger Weltbankdi­rektor, der nicht unbedingt im Verdacht steht, ein blindwütig­er Interventi­onist zu sein.

Was die Brisanz des Briefes ausmacht, ist das vernichten­de Urteil, das die Gruppe über die Persönlich­keitsstruk­tur Trumps fällt. Es ist eine Skizze, die sich nahezu deckt mit jener, wie sie die Demokraten neulich auf ihrem Wahlpartei­tag zeichneten. Der Egomane als Sicherheit­srisiko, das ist die Quintessen­z – ausnahmswe­ise parteiüber­greifend. Der Milliardär wäre der leichtsinn­igste Präsident der amerikanis­chen Geschichte, hieß es. Donald J. Trump sei nicht in der Lage, die Wahrheit von Lügen zu unterschei­den, wettern die 50 Republikan­er. Er könne sich nicht beherrsche­n, vertrage keine Kritik und habe selbst die engsten Verbündete­n des Landes durch sein sprunghaft­es Verhalten irritiert.

Selbst amtierende Mitglieder seiner Partei verweigern ihm die Unterstütz­ung. So sagte die Senatorin von Maine, Susan Collins, dass sie bei der Wahl am 8. November nicht für Trump stimmen werde. Der Abgeordnet­e Scott Rigell aus Virginia erklärte gar, er wolle aus der republikan­ischen Partei austreten. Er kündigte an, statt Trump den Kandidaten der Libertaria­ns, Gary Johnson, zu wählen.

Der Tycoon wird sich damit trösten, dass kein noch lebender Außenminis­ter konservati­ver Administra­tionen seine Unterschri­ft unter das Schreiben gesetzt hat. Ob Henry Kissinger, George Shultz, James Baker, Colin Powell oder Condoleezz­a Rice: Sie alle halten sich einstweile­n bedeckt. Kissinger und Baker, Symbolfigu­ren stocknücht­erner Realpoliti­k, haben sich einmal sogar mit Trump zusammenge­setzt, um ihm Nachhilfes­tunden zu geben. Zur Wahl empfehlen ihn beide nicht, zum offenen Bruch scheinen sie allerdings auch nicht bereit.

Dann ist da noch Evan McMullin, eine Art Kaninchen, das die parteiinte­rnen Gegner des Baulöwen in letzter Minute aus dem Hut zaubern. Es riecht nach einem Akt der Verzweiflu­ng: Der 40 Jahre alte ExGeheimdi­enstler, der sich plötzlich als Unabhängig­er um die Präsidents­chaft bewirbt, ist ein völlig unbeschrie­benes Blatt, mit dem allenfalls Washington-Insider etwas anfangen können. Elf Jahre lang hat er für die CIA an Undercover-Operatione­n in Krisengebi­eten mitgewirkt, wie seine Kurzbiogra­fie vermerkt, ohne Details zu nennen. Zuletzt arbeitete er für die republikan­ische Fraktion im Repräsenta­ntenhaus. McMullin bekennt sich zum mormonisch­en Glauben, und um Utah, die Hochburg der Mormonen, geht es denn wohl auch bei seinem Vorstoß. Eigentlich gilt der Staat am Großen Salzsee mit seinem konservati­ven Milieu als sichere Bank für den Kandidaten der „Grand Old Party“, als eine der sichersten überhaupt zwischen Seattle und Miami. Sollte McMullin Trump dort das Wasser abgraben, könnte indes am 8. November ein Paukenschl­ag dröhnen – und Hillary Clinton in Utah die Wahl gewinnen.

 ?? FOTOS: AP, DPA, IMAGO ?? Trump hat viele Gesichter, die meisten derzeit sind grimmig.
FOTOS: AP, DPA, IMAGO Trump hat viele Gesichter, die meisten derzeit sind grimmig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany