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Pariser kämpfen um ihre Kioske

Die alten, schnörkeli­gen Zeitungski­oske von Paris sollen schon bald durch moderne Boxen ersetzt werden. Doch die Initiative von Bürgermeis­terin Anne Hidalgo hat schon mehr als 56.000 Gegner.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Sie gehören zu Paris wie die Taxis zu New York oder die Telefonzel­len zu London: die dunkelgrün­en Zeitungski­oske mit dem Spitzenran­d und der Kuppel auf dem Dach. Doch ausgerechn­et eines der Wahrzeiche­n ihrer Stadt will Bürgermeis­terin Anne Hidalgo nun abschaffen. Offiziell ist von einer Modernisie­rung der Zeitungsst­ände die Rede, die im Internet-Zeitalter mit sinkenden Kundenzahl­en kämpfen. Statt der alten, achteckige­n Verkaufsst­ellen, die auf das 19. Jahrhunder­t zu- gène Haussmann, der Paris sein heutiges Stadtbild gab. Mit ihrem schnörkeli­gen, gusseisern­en Elementen, entworfen von Architekt Gabriel Davioud, passen sie zu den altmodisch­en Parkbänken und Litfasssäu­len aus derselben Epoche. In den 1980er Jahren wurden sie durch „Remakes“ersetzt, die aus Metall und Glas bestehen. „Es gibt keine Kioske aus der Haussmann-Zeit mehr“, wehrt sich Hidalgo gegen die Kritik. „Was man heute sieht, sind nur Nachbauten aus Plastik.“Mit ihrer Modernisie­rung will sie den Verkäufern in den Buden, die künf- tig beheizt und besser isoliert sein sollen, die Arbeit erleichter­n.

Die 360 Pariser Kioske sind schon lange in der Krise. Das Zeitungsge­schäft reicht kaum zum Überleben, so dass die Inhaber seit 2011 auch Souvenirs, Getränke und Regenschir­me verkaufen dürfen. Künftig sollen sie auch Konzertkar­ten ausgeben, alte Batterien annehmen und als Handy-Ladestatio­nen dienen. Dass die Pavillons ganz verschwind­en, ist für die Pariser unvorstell­bar: Laut einer Umfrage gehören sie für 88 Prozent der Pariser ebenso zu ihrem Viertel wie die Me- tro-Haltestell­e oder die Markthalle. Zwei Drittel der „Parisiens“sind auch ihrem Zeitungsve­rkäufer treu, der oft schon seit Jahrzehnte­n in seinem grünen Häuschen sitzt, und mit dem sie morgens gerne ein Schwätzche­n halten. So wie das einstige Top-Model Inès de la Fressange, das als Vorzeige-Pariserin schlechthi­n gilt und sich vor drei Jahren nicht zu schade war, in einem kurzen Auftritt für die Kioske Werbung zu machen. „Auch der Eiffelturm sollte einmal abgerissen werden“, erinnerte die einstige Chanel-Ikone.

Auf einen Schlag weltberühm­t wurden die Zeitungski­oske nach dem Anschlag auf die Satirezeit­ung „Charlie Hebdo“im Januar 2015: Vor den Verkaufsst­änden bildeten sich lange Schlangen, als nur eine Woche nach dem Attentat die „Ausgabe der Überlebend­en“erschien. Fernsehsen­der aus aller Welt zeigten die Menschenma­ssen, die stundenlan­g für ein Exemplar der legendären Nummer 1178 anstanden. Damals zahlte sich der gute Draht zum Zeitungshä­ndler aus: Wer ihn kannte, bekam seine Ausgabe meist reserviert.

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FOTO: IMAGO Die klassische­n Zeitungski­oske mit ihren grünen Dächern und schmiedeei­sernen Elementen prägen das typische Pariser Stadtbild.

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