Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gewaltfant­asien eines Kandidaten

Donald Trump spricht in einem Satz über Schusswaff­en und Hillary Clinton. Man kann das als Attentatsd­rohung verstehen.

- VON FRANK HERRMANN

WILMINGTON Einmal mehr dreht sich alles um Donald Trump. Einmal mehr redet sich der Kandidat nach einer verbalen Entgleisun­g damit heraus, dass man ihn falsch verstehe, bewusst falsch verstehen wolle. Einmal mehr schiebt er den „liberalen“Medien die Schuld in die Schuhe, einmal mehr muss sein Vize Mike Pence einen Scherbenha­ufen zusammenke­hren. Diesmal geht es um Sätze, in denen viele einen allenfalls notdürftig bemäntelte­n Aufruf zur Gewalt gegenüber der politische­n Gegnerin sehen.

Ins Rollen kam die Lawine mit einer Kundgebung des Baulöwen in Wilmington, einer Kleinstadt im umkämpften Bundesstaa­t North Carolina. Trump sprach davon, dass eine Präsidenti­n Hillary Clinton wohl das Second Amendment aushebeln würde, den zweiten Zusatzarti­kel zur Verfassung von 1791, der Privatbürg­ern das Recht auf Waffenbesi­tz garantiert. Eine US-Präsidenti­n Hillary Clinton, orakelte er, würde Juristen an den Obersten Gerichtsho­f berufen, die dieses Recht empfindlic­h einschränk­en würden. „Falls sie es übrigens schafft, ihre Richter auszuwähle­n, kann man nichts dagegen machen, Leute. Obwohl, es gibt die Leute des Zweiten Verfassung­szusatzes, vielleicht ist es das. Ich weiß nicht.“

Im Kontext der amerikanis­chen Dauerdebat­te über Sinn und Unsinn des Waffentrag­ens lassen sich Trumps Worte nicht anders deuten, als dass er für den Fall eines ClintonSie­ges der Gewalt das Wort redet. Chiffriert zwar, aber für seine Anhänger unzweideut­ig. Bereits im Sommer vor sieben Jahren, als sich die Tea-Party-Bewegung eine Revolte gegen das Establishm­ent auf die Fahnen schrieb, hatten die Aggressivs­ten unter den rechten Rebellen von einem Autokraten namens Barack Obama gefaselt und sich auf die Verfassung berufen, um den „Diktator“notfalls aus dem Weißen Haus zu vertreiben. Besagtes Second Amendment besteht aus einem einzigen Satz: „Da eine gut ausgebilde­te Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderli­ch ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträch­tigt werden.“

Trump selbst erklärte auf Fox News, er habe die Bewegung einen wollen, die den zweiten Verfassung­szusatz verteidige. Auf Twitter schrieb er: „Was ich meinte, war: Die Verteidige­r des zweiten Verfassung­szusatzes müssen sich zusammentu­n und wählen gehen.“ Donald Trump am Dienstag in Wilmington (North Carolina)

Das mit der Miliz habe Trump im Sinn gehabt, daran habe er angeknüpft, sagt dagegen Chris Murphy, ein Senator aus Connecticu­t, der zu den eifrigsten Fürspreche­rn strengerer Waffengese­tze zählt. „Nehmt dies nicht als politische­n Ausrutsche­r, es handelt sich um eine Attentatsd­rohung“, twitterte der Demokrat. Gabby Giffords, eine frühere Kongressab­geordnete, der ein geistig verwirrter Schütze während einer improvisie­rten Bürgerspre­chstunde in Arizona 2011 eine Kugel in den Kopf gejagt hatte und die Jahre brauchte, um wieder sprechen zu lernen, warnte vor unabsehbar­en Folgen. Verantwort­ungsvolle, men- tal stabile Menschen würden Trumps Rhetorik sicher nicht wörtlich nehmen, sagte sie: „Doch seine Worte könnten wie ein Magnet wirken für jene, die Ruhm im Infamen suchen.“Elizabeth Warren, neben Bernie Sanders die Lichtgesta­lt der Linken, sieht einen Macho auf der Verlierers­traße. Trump, polemisier­te die Senatorin, stoße Morddrohun­gen aus, „weil er ein erbärmlich­er Feigling ist, der nicht damit umgehen kann, dass er gegen ein Mädchen verliert.“„Dies ist eine einfache Sache – was Trump sagt, ist gefährlich“, resümierte der Wahlkampfm­anager der Demokraten­Kandidatin, Robby Mook.

Im konservati­ven Lager wiederum hält sich die Zahl derer, die sich schützend vor den polternden Milliardär stellen, in überschaub­aren Grenzen. Auch deshalb, weil sich der 70-Jährige offenbar als unbelehrba­r entpuppt. Hatten republikan­ische Strategen darauf gehofft, nach dem Wahlpartei­tag im Juli einen weichgespü­lten Donald Trump zu erleben, so sehen sie sich inzwischen eines Besseren belehrt. Sie wollten ihn gern vergessen, den Rüpel, der den Zwischenru­f eines Demonstran­ten einmal mit den Worten bedachte, er würde dem Mann gern einen Faustschla­g verpassen und dann zusehen, wie er den Saal auf einer Trage verlasse. Der Brandredne­r, der von Gewalt fantasiert – nach dem Willen der republikan­ischen Parteigran­den sollte das Kapitel eigentlich abgehakt sein. Und nun setzt er noch eins drauf.

Pence, die Nummer zwei im Gespann mit Trump, steht denn auch ziemlich allein auf weiter Flur, wenn er die verklausul­ierte Drohung wegzuerklä­ren versucht. Der Kandidat habe doch nur gesagt, dass Schusswaff­en in den Händen gesetzestr­euer Bürger Amerikas Gemeinden sicherer machten, behauptet dessen Vize. Und dass Leute, die dieses Grundrecht zu schätzen wüssten, Gehör finden sollten.

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FOTO: AP

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