Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein unschlagba­res Team

Auf Goldmedail­lengewinne­r Jung wartet Arbeit auf dem Hof, auf Sam die Koppel im Schwarzwal­d.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

RIO DE JANEIRO Sam hatte irgendwie noch nicht genug. Oder er hat es einfach nicht so mit Siegerehru­ngen. Als Michael Jung ein paar Meter entfernt im Stadion von Deodoro die olympische Goldmedail­le umgehängt bekam und die Pferde des Zweit- und Drittplatz­ierten stoisch hinter ihren Reitern standen, wollte Jungs 16-jähriger Wallach unbedingt noch ein paar Runden an der Leine einer Pflegerin drehen. Immer weiter, immer weiter. Es war, als wenn er seinem Reiter signalisie­ren wollte: Okay, jetzt sind wir schon wieder Olympiasie­ger geworden, aber was machen wir zwei denn nun als nächstes?

Über Michael Jung zu schreiben, geht nicht, ohne über Sam zu schreiben. Denn Jung, der 34-Jährige aus dem Taunus, sieht viel lieber sein Erfolgspfe­rd im Vordergrun­d als sich selbst. Also redet er auch viel mehr über sein Pferd und dessen Leistung als über die eigene. Die beiden sind das Traumpaar des deutschen Reitsports. Gemeinsam gewannen sie 2012 in London Gold im Einzel und mit der Mannschaft, gemeinsame­n gewannen sie nun in Rio Gold im Einzel und Silber mit dem Team. „Der erste Olympiasie­g fühlte sich besonders an, einfach, weil es das erste Mal war. Jetzt fühlt es sich besonders an, noch einmal mit ihm gewonnen zu haben.“

Dabei wollte Jung seinem Sam in Rio eigentlich untreu werden und stattdesse­n mit Takinou reiten, doch der neunjährig­e Anglo-Araber fing sich nach dem CHIO in Aachen Mitte Juli einen fiebrigen Infekt ein. Also war Sam wieder erste Wahl, eine gute Wahl. „Er will immer das Beste geben. Das ist einfach phänomenal“, sagte Jung über Sam. Und weil der Wallach so phänomenal ist, machte sich Jung im Wiederholu­ngsmoment seines größten Erfolges auch gleich schon wieder Gedanken über sein Wohlergehe­n. „Er darf jetzt erstmal auf seine Koppel im Schwarzwal­d. Die vermisst er, glaube ich, sehr. Das Gras hier schmeckt ihm nicht so gut. Und dann gehen wir erstmal ganz entspannt durch den Winter“, sagte Jung. Er selbst fliegt übrigens schon am Mittwoch wieder nach Hause: „Die Arbeit auf dem Hof macht sich ja nicht von alleine.“

Diese Bescheiden­heit, diese Fokussieru­ng auf das, was anliegt, auf das, was gemacht, was angegangen werden muss, das ist typisch für den Pferdewirt­schaftsmei­ster aus Horb. Und das ist letztlich auch sein Erfolgsrez­ept. Der Mann mit dem schütteren Haar ist kein Mann für Sperenzche­n, für saloppe Sprüche oder gelebte Lockerheit vor der Kamera. Das überlässt er anderen, die müssen ihm dafür oft genug den Sieg überlassen. „Für ihn gehen die Superlativ­e aus“, lobte Dennis Peiler, Sportchef beim Reitsportv­erband FN, seinen Überreiter, den Weltrangli­stenersten.

Jung war als Einziger bislang gleichzeit­ig Olympiasie­ger (2012), Weltmeiste­r (2010) und Europameis­ter (2011, 2013 und 2015), er hat den Grand Slam des Vielseitig­keitsreite­ns gewonnen und sich längst den Ruf erworben, der komplettes­te aller im Weltzirkus befindlich­en Reiter zu sein. Das würde er selbst vielleicht gar nicht mal so sehen, er würde es zumindest nicht so sagen wollen in der Öffentlich­keit. Da redet er doch lieber über die Qualität seiner Pferde.

 ?? FOTO: DPA ?? Siegerläch­eln: Michael Jung
FOTO: DPA Siegerläch­eln: Michael Jung

Newspapers in German

Newspapers from Germany