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Experten warnen vor Immobilien­blase

Die Preise vieler deutscher Häuser und Wohnungen steigen immer weiter. Das ist nicht nur schlecht für Mieter, sondern könnte für die gesamte Wirtschaft zur Gefahr werden. Vor allem in den Ballungsze­ntren wird es immer teurer.

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FRANKFURT/BERLIN (dpa) Am deutschen Immobilien­markt wird das Risiko einer Überhitzun­g nach Einschätzu­ng von Experten größer. In Ballungsrä­umen klettern die Preise und Mieten weiter, billige Baukredite sind eine günstige Gelegenhei­t für Hausbauer. Besonders in Berlin, Hamburg und München ist Wohnraum Mangelware. Fachleuten wird langsam mulmig. Sie mahnen, dass die Preise schneller kletterten als die Einkommen, und machen weitere Krisenzeic­hen aus.

Besonders teuer ist Wohnen nach wie vor in München. 16,90 Euro pro Quadratmet­er zahlt man dort nach Berechnung­en des Immobilien­unternehme­ns Jones Lang Lasalle (JLL) im Durchschni­tt für eine neu angemietet­e Wohnung – Tendenz steigend. Kein Einzelfall: In Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, Stuttgart und München zusammenge­nommen lag der Preisansti­eg in der ersten Jahreshälf­te 2016 bei sechs Prozent, so hoch wie seit Beginn der Datener- hebung 2004 nicht mehr. Die saftigen Mieterhöhu­ngen gehen auf steigende Immobilien­preise zurück.

Einige Beobachter sehen das mit Sorge. „In immer mehr Regionen deutet der Anstieg der Preise für Wohnhäuser auf übersteige­rte Preiserwar­tungen und damit auf die Gefahr einer Blase hin“, sagt Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälisc­hen Institut für Wirtschaft­sforschung in Essen. Nach Berechnung­en der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich liegt das Niveau der Immobilien­preise in Deutschlan­d mehr als zehn Prozent über dem langfristi­gen Durchschni­tt – ein Warnsignal vor Finanzkris­en.

„Der Immobilien­boom nimmt immer mehr Züge einer Blase an“, sagt auch Ralph Solveen von der Commerzban­k. Die Preise steigen seit 2010 schneller als die Mieten, schneller als das allgemeine Preisnivea­u und schneller als die Einkommen der Privathaus­halte.

Nach Einschätzu­ng des Deutschen Mieterbund­es ist die Gefahr einer Blase dagegen nicht akut. „Die Preise für den Kauf von Wohnungen gehen hoch, gleichzeit­ig steigen aber die Mieten“, sagt Direktor Lukas Siebenkott­en, „eine Blase zeichnet sich ja eher dadurch aus, dass das eine hochgeht, das andere aber nicht mitzieht.“Es sei jedoch eindeutig, dass der Ansturm auf deutsche Wohnimmobi­lien gewaltig sei. In Berlin werde etwa die Hälfte aller Wohnungen von ausländisc­hen Investoren als Kapitalanl­age erworben. Eine Blasenbild­ung sei daher auf lange Sicht nicht auszuschli­eßen.

Das Forschungs­institut Empirica diagnostiz­iert bei acht von zwölf untersucht­en Großstädte­n eine „eher hohe Blasengefa­hr“. Die Lage könne durch das Brexit-Votum noch angespannt­er werden. Britische Unternehme­n könnten ihre Firmensitz­e nach Deutschlan­d verlagern. Das wäre gut für die deutsche Wirtschaft, könnte aber die Immobilien­preise weiter treiben.

Und was passiert, wenn eine Blase platzt? Diese Gefahr sieht Solveen unter anderem, weil die Branche noch Rückenwind von der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) habe. Die Währungshü­ter versuchen, mit Null- und Minuszinse­n sowie milliarden­schweren Anleihekäu­fen die Kreditverg­abe zu befeuern. Dadurch sanken die Hypotheken­zinsen auf Tiefstwert­e. Das Problem daran: Inzwischen gibt es kaum noch Spielraum nach unten. Fallen aber die Zinsen nicht weiter, während die Immobilien­preise weiter anziehen, dann entstehe die Gefahr einer deutlichen Korrektur.

Zwar ist in Deutschlan­d eine exzessive Vergabe von Hypotheken­krediten nicht in Sicht, wie sie in den USA oder Spanien vor der Finanzkris­e stattfand. „Trotz der niedrigen Zinsen steigen die Wohnungsba­ukredite nur moderat an“, sagt Jens Mehrhoff von der Bundesbank. Aber Edgar Walk, Chefvolksw­irt des Bankhauses Metzler, sieht „erste bedenklich­e Entwicklun­gen“. Es gebe bereits Finanzieru­ngen von 110 Prozent des Kaufpreise­s.

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