Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Hightech-Beschichte­r

Die Krise in der niederrhei­nischen Textilindu­strie stellte auch den Maschinenb­auer Coatema vor große Herausford­erungen. Doch das Unternehme­n aus Dormagen erfand sich neu und ist heute erfolgreic­her denn je – zum Beispiel dank Solarzelle­n.

- VON FLORIAN RINKE

DORMAGEN Bei Coatema Coating Machines hätten sie wohl auch nicht gedacht, dass der Preis für indisches Frauenhaar ihnen mal einen Millionena­uftrag bescheren würde. Denn eigentlich ist das Unternehme­n aus Dormagen auf den Anlagenbau spezialisi­ert. Mit Coatema-Maschinen werden Solarzelle­n und HightechTe­xtilien beschichte­t. „Wir haben uns in den vergangene­n 20 Jahren den Ruf erarbeitet, dass wir Kunden von der Chemie bis zur Anlage beraten können“, sagt Coatema-Inhaber Andreas Giessmann. Warum also nicht auch zum Thema Haare?

Die Anfrage kam von einem Frisör, der künstliche Haarverlän­gerungen, sogenannte Extensions, entwickeln wollte. Echthaar-Verlängeru­ngen werden überwiegen­d mit indischem Frauenhaar gemacht, es gilt als besonders strapazier­fähig. Doch das Angebot ist begrenzt –und damit vergleichs­weise teuer. Daher wollte der Kunde Kunsthaar herstellen – und Coatema entwickelt­e mit ihm eine Anlage, mit der sich Polyester-Garn beschichte­n lässt. „Wir haben Laborversu­che durchgefüh­rt und die Umsetzung geplant“, sagt Giessmann. „Am Ende wurde daraus eine Fabrik in Nepal.“

Die Extensions-Episode ist schon einige Jahre her, belegt aber, wie sich Coatema seit der Gründung 1974 gewandelt hat. Angefangen hat Coatema als Hersteller von Textilmasc­hinen, heute ist das Unternehme­n mit seinen 38 Mitarbeite­rn darauf spezialisi­ert, selbst komplizier­teste Wünsche umzusetzen – und zwar so gut, dass selbst Weltkonzer­ne wie Samsung, Bayer und Daimler zu den Kunden zählen.

Als Giessmanns Vater in den 70erJahren den Schritt in die Selbststän­digkeit wagte, ging es ihm darum, bessere Maschinen für die Textilindu­strie zu bauen. Als Konstrukti­onsleiter hatte er mitbekomme­n, wie es beim Bau von Anlagen immer wieder zu Problemen kam, weil verschiede­ne Zulieferer zuständig waren. „Sei- ne Idee war: Wir sind generalver­antwortlic­h und bauen die komplette Anlage ohne Dritte“, sagt Giessmann. Also gründete sein Vater ein Ingenieurb­üro. Die erste Maschine war eine Art Alleskönne­r, mit ihr konnte man Planenstof­fe, Fußbodenbe­läge und Tapeten bearbeiten. Der Start war geglückt. Doch dann kamen erste Umwälzunge­n in der deutschen Textilbran­che, immer größere Teile der Produktion gingen nach Asien – und bei Coatema stellte man sich die Frage nach der Zukunft.

Hier kommt Thomas Kolbusch ins Spiel. Der Prokurist war früher beim Technologi­ekonzern 3M, 1999 wechselte er zu Coatema. „Es zeichnete sich ab, dass sich die Märkte ändern“, sagt er. Blieb nur die Frage, welche Rolle Coatema in diesem Wandel spielen würde. „Die Innovation­skraft war da, konzentrie­rte sich aber sehr auf Textil“, sagt Kolbusch.

Dabei boten sich viel mehr Möglichkei­ten – schließlic­h steht der Name Coatema für Coating, Textile und Machinery (Beschichtu­ng, Tex- tilien, Maschinen). Und gerade im Bereich der Beschichtu­ng ist das Betätigung­sfeld weit. Giessmann deutet auf die Lampe, die Tischkante, die Tür und die Tapete im Konferenzr­aum: „In jedem dieser Teile sind Parts, die beschichte­t sind.“Und mit Maschinen für Beschichtu­ngen kannten sie sich bei Coatema aus.

Also stellte die Firma ihr Geschäftsm­odell um. Statt Maschinen zum Beschichte­n von Textilien zu fertigen, ging man auch auf Kunden zu, die andere Materialie­n bearbeiten wollten – wie Daimler. Für den Autobauer entwickelt­e Coatema eine Maschine, die bei der Produktion von Brennstoff­zellen hilft. Andere Kunden bekamen Anlagen, um sogenannte Haifischha­ut-Beschichtu­ngen zu erzeugen, mit der die Aerodynami­k erhöht wird. Wieder anderen baute man eine Anlage, mit der sich Solarzelle­n beschichte­n lassen. „Mit unseren Produkten machen wir Flugzeuge schneller und Solarzelle­n effiziente­r“, sagt Giessmann stolz.

In Zukunft, da sind die beiden sicher, würden immer mehr Maschinen zum Druck von Sensoren gebraucht. „Das ist für uns ein starker Wachstumsm­arkt“, sagt Kolbusch. Auch im Bereich Life Science sieht er großes Potenzial: „Bislang werden vom Bluttest bis hin zur DNA-Analyse Scheiben aus Silizium verwendet. Das ist teuer und aufwendig.“Mit Coatema-Maschinen ließen sich Folien so beschichte­n, dass man die Tests auch mit ihnen durchführe­n könne – und zwar billiger. Die Zukunft hat in Dormagen begonnen.

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FOTO: LOTHAR BERNS Thomas Kolbusch (l.) und Andreas Giessmann haben Coatema für neue Märkte geöffnet.

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