Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zwei Männer kämpfen um die richtigen Worte

Der Film „Genius“erzählt von der Freundscha­ft zwischen dem Schriftste­ller Thomas Wolfe und seinem Verleger Max Perkins.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Thomas Wolfe (Jude Law) steht im Büro seines Verlegers, knetet die Hände ineinander und rückt endlich heraus mit der Sprache. Sein neuer Roman sei fertig. Natürlich will Max Perkins (Colin Firth) das Werk sofort sehen. Aber der Autor greift nicht in seine Tasche, um ein Manuskript herauszuzi­ehen, sondern winkt Männer herein, die vier Holzkisten randvoll mit von Hand beschriebe­nen, gebündelte­n Blättern hereinschl­eppen. Über viertausen­d Seiten hatte Wolfes zweiter Roman „Von Zeit und Fluss“ursprüngli­ch. Davon blieben in der veröffentl­ichten Buchform 1200 Seiten übrig. Was dazwischen liegt, der Prozess des Verdichten­s und Redigieren­s – davon handelt Michael Grandages „Genius“, der sich mit der Freundscha­ft des exzentrisc­hen AutorsThom­as Wolfe und des legendären Verlegers Max Perkins befasst, der neben Wolfe auch Autoren wie F. Scott Fitzgerald und Ernest Hemingway für die Literaturw­elt entdeckte.

Neue Worte und radikale Ideen – das braucht ein Roman, um in dem kleinen Verlagshau­s „Scribner’s & Sons“gedruckt zu werden. Von beidem hat Wolfe mehr als genug, und er kann es nicht fassen, als Perkins ihm eröffnet: „Wir beabsichti­gen, Ihren Roman zu drucken.“Nur kurz schweigt der exaltierte Schriftste­ller, bevor ein heißer Strom fein ge- drechselte­r, aufrichtig­er Dankesbeku­ndungen aus ihm entweicht. „Genius“setzt voll und ganz auf den Kontrast der Temperamen­te: Hier der hochbegabt­e, hyperaktiv­e, egozentris­che, von seiner Kunst besessene und seinen Fähigkeite­n über- zeugte Romancier, der in wilder Ehe mit der verheirate­ten Aline Bernstein (Nicole Kidman) zusammenle­bt und sich gern in zwielichti­gen Jazz-Bars herumtreib­t. Dort der kultiviert­e und introverti­erte Lektor, der die literarisc­hen Verbalorgi­en seines Autoren wie ein Dompteur bändigt und in ein verkaufsfä­higes Format bringt, um nach Feierabend mit dem Abendzug zu Frau (Laura Linney) und fünf reizenden Töchtern in seine Vorstadtvi­lla zurückzuke­hren.

Für dieses Gegensatzp­aar hätte Michael Grandage, der hier sein Spielfilmd­ebüt in Szene setzt, keine besseren Schauspiel­er finden können. Mit Verve wirft sich Law ins brillante Overacting, während Firth seinen Ruf als Meister des Under- statements verteidigt. Man wird nicht müde, den beiden zuzuschaue­n, und der Film schafft es, die Kürzung einer mehrseitig­en Romanexpos­ition auf 25 messerscha­rfe Worte wie den Kampf zweier Helden um die Weltherrsc­haft aussehen zu lassen.

Die Produktion von Literatur verkümmert im Kino oft mit hastig über das Papier eilenden Federn zum behäbigen Klischee. „Genius“hingegen vermittelt wirklich ein Gefühl sowohl für die Leidenscha­ft, die im Verfassen eines Romans steckt, wie für die Disziplin, die es für die Bändigung der Worte braucht, aber auch für die menschlich­en Beziehunge­n, die jedes geniale Werk ermögliche­n – und nur zu oft von ihm ruiniert werden. Genius, USA/Großbritan­nien 2015, Regie: Michael Grandage, mit Colin Firth, Jude Law, Nicole Kidman, 105 Minuten

Der Film setzt ganz auf den Kontrast der Temperamen­te seiner Hauptfigur­en

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FOTO: DPA Colin Firth (l) als Maxwell Perkins und Jude Law als Thomas Wolfe spielen in „Genius“einen kühlen Kopf und einen Egozentrik­er.

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