Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Was das neue Sicherheit­spaket bringt

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN „Doppelpass abschaffen“, verlangen die CDU-Landesmini­ster in einem Papier, über das sie in der kommenden Woche beraten wollen. Bundesmini­ster Thomas de Maizière sagt „nein“dazu. Er will die gesellscha­ftliche Befriedung in dieser Streitfrag­e nicht aufbrechen. „Burkas verbieten“, verlangen die CDU-Landesmini­ster. Und wieder sagt de Maizière: „Nein“. Das sei verfassung­srechtlich bedenklich. Doch wer in seinen neuen Maßnahmenk­atalog zur Verbesseru­ng der Sicherheit­slage schaut und ihm genau zuhört, kann beide Stichworte dann doch wiederfind­en. Nur konkreter. Und so ist vieles von dem, was er aufgeschri­eben hat, um nach den jüngsten Anschlägen eine Debatte über Konsequenz­en anzustoßen: ziemlich konkret.

Burkas will der Innenminis­ter nicht generell verbieten. Aber da, wo sie stören. Als Beispiel nennt er den Straßenver­kehr, das Standesamt, die Zeugenauss­age vor Gericht. Offenbar schwebt ihm hier schon der nächste Gesetzesvo­rstoß vor, auch wenn er ihn jetzt noch nicht aufgeschri­eben hat. Dafür ist das Stichwort Doppelpass fester Bestandtei­l seines neuen Maßnahmenp­akets: Alle Islamisten mit einer zweiten Staatsange­hörigkeit sollen ihre deutsche verlieren, wenn sie sich für den Dschihad einsetzen oder ausbilden lassen. Die CDU hat das schon einmal Anfang des Jahres gefordert, die SPD aber dafür nicht gewinnen können. Nun versucht de Maizière es erneut. Das gilt auch für die Absicht, Sympathiew­erbung für Terrororga­nisationen zu verbieten.

Er glaubt, dass alle seine Vorschläge für die SPD zumutbar und noch in dieser Wahlperiod­e realisierb­ar seien. Tatsächlic­h gibt sich die SPD gesprächsb­ereit, vermisst jedoch einige Zahlen. Im „mittleren vierstelli­gen Bereich“will de Maizière die Sicherheit­sbehörden personell verstärken. Das reicht SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann nicht. „Der Bundesinne­nminister hat es leider versäumt, klare Vorstellun­gen über mehr Personal und bessere Ausstattun­g für die Bundespoli­zei zu präsentier­en“, sagte Oppermann unserer Redaktion. Für das Sicherheit­sgefühl der Menschen sei das aber entscheide­nd. Offenbar sträube sich der Finanzmini­ster, mehr Geld für die innere Sicherheit bereitzust­ellen. Die SPD fordere seit Monaten insgesamt 12.000 neue Polizeiste­llen in Bund und Ländern. „Das ist machbar, wir sollten nicht weiter Zeit verstreich­en lassen“, so Oppermann.

Offensicht­lich will de Maizière tatsächlic­h erst weitere Zahlen nennen, wenn er in den Nachverhan­dlungen über den nächsten Bundeshaus­halt vorangekom­men ist.

Wenn die Amoklauf-Waffe von München aus dem Darknet kam, und sich Terrorverd­ächtige im Internet verabredet­en, dann nimmt de Maizière das zum Anlass, strukturel­l, personell und funktionel­l kräftig nachzulege­n. Noch im Herbst baut er die „Zitis“auf, die „Zentrale Stelle für Informatio­nstechnik im Sicherheit­sbereich“, die Strategien und Software für den Kampf gegen Terror und Kriminalit­ät im Internet liefern und am Ende 400 Köpfe stark sein soll. Wie im analogen Leben sollen verdeckte Ermittler auch im „Darknet“den Waffenhand­el und die Kommunikat­ion zwischen Terroriste­n aufklären. Ein Ziel: künftig auch WhatsApp-Kommunikat­ion knacken zu können. Und rechtlich will de Maizière weitere Schranken einreißen: Alles, was die Ermittler bei der Telefonübe­rwachung dürfen, sollen sie auch im Internet genehmigt bekommen.

Um in Terrorlage­n schneller Spezialist­en vor Ort zu haben, führt er alle Spezialkrä­fte des Bundes organisato­risch zusammen. Und er will auch unter Führung der Polizei einüben lassen, wie die Bundeswehr miteinbezo­gen werden kann. Bei vielen Details wird der Weg übers Gesetz in die Praxis noch für Debatten und Streit sorgen. So etwa bei einer massiven Ausweitung der Video-Überwachun­g, die dann mit neuer Software automatisc­h bei herrenlose­n Koffern alarmiert und per Gesichtser­kennung Verdächtig­e melden soll. Oder bei Lesegeräte­n, die gesuchte Fahrzeuge im fließenden Verkehr aufspüren. Oder beim Zugriff von Nachrichte­ndiensten auf internatio­nale Datenbanke­n. Auseinande­rsetzungen dürfte es ebenfalls um ein von de Maizière gewolltes Zwei-Klassen-Recht bei den abgelehnte­n, aber geduldeten Asylbewerb­ern geben. Wer nicht abgeschobe­n wird, weil er etwa schwer erkrankt ist, soll künftig deutlich besser stehen als derjenige, der seine Ausreise hinauszöge­rt, indem er etwa seinen Pass verschwind­en lässt. Er dürfe dann nicht mehr lange bleiben und werde nur noch mit dem allernötig­sten versorgt, schlägt de Maizière vor. Und um die Identifizi­erung zu komplettie­ren und mögliche Terror-Verbindung­en aufzuspüre­n, sollen bei der Registrier­ung auch die FacebookKo­ntakteder Flüchtling­e aus den vergangene­n sechs Monaten in den Blick genommen werden. Auch im Umgang mit straffälli­gen Ausländern will de Maizère mehr Härte zeigen, einen neuen Grund für eine Abschiebeh­aft ins Strafgeset­zbuch schreiben und in einer Bund-Länder-Task-Force herausfind­en, wo weitere Abschiebe-Hinderniss­e liegen und wie die beseitigt werden können. Der Innenminis­ter hat sich vorgenomme­n, alle diese Punkte so zu gestalten, dass chen. In den USA absolviert­e er dafür eine fliegerisc­he Ausbildung und begann in München Wirtschaft­s- und Organisati­onswissens­chaften zu studieren. Neben einem Stipendium in den USA nahm er an zwei Weiterbild­ungsaufent­halten in New York teil. In der Bundeswehr bekam er die Möglichkei­t, mehrere Stationen zu durchlaufe­n und sich für eine Generalsta­bsausbildu­ng zu qualifizie­ren. Nach der zweijährig­en Ausbildung erhielt Nigge das Angebot des Hamburger Senats, dort im Finanzbere­ich zu arbeiten. Zusammen mit seiner Frau, die als selbststän­dige Rechtsanwä­ltin arbeitet, und den gemeinsame­n drei Kindern, lebt er derzeit in Hamburg. der Bundesrat nicht zustimmen muss, die Verhandlun­gen sich also auf die SPD konzentrie­ren können und nicht die Grünen einbeziehe­n müssen. Das heißt allerdings, dass alles, was der Minister als Paket vorstellte, nun in eine Vielzahl einzelner Projekte aufzuteile­n ist – mit jeweils unterschie­dlicher Realisieru­ngschance.

Letztlich kann die Ideensamml­ung nicht garantiere­n, dass sie den großen Terroransc­hlag und die vielen weiteren Bedrohunge­n grundsätzl­ich verhindern. Sie zielt jedoch darauf ab, den irritierte­n Menschen zu zeigen, dass der Staat sich nicht mit eklatantem Missbrauch der Willkommen­spolitik abfinden will.

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FOTO: DPA Innenminis­ter Thomas de Maizière

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