Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Deutsche Fechter am Boden

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RIO DE JANEIRO (sid) Die Bilanz ernüchtern­d, die Zukunft düster: Die Enttäuschu­ng über die ersten medaillenl­osen Olympische­n Spielen seit 36 Jahren war noch nicht verdaut, da fürchteten die deutschen Fechter schon das nächste Horrorszen­ario. „Wenn wir noch weniger Mittel bekommen, werden wir noch weniger konkurrenz­fähig sein“, sagte Sportdirek­tor Sven Ressel: „Wir haben die Sorge, dass wir möglicherw­eise in der einen oder anderen Disziplin Abstriche machen müssen, was ich für fatal halte.“

Noch weniger Geld für den dringend notwendige­n Umbruch? Das wäre für die einstige deutsche Vorzeigesp­ortart der nächste, eventuell entscheide­nde Rückschlag auf dem Weg zurück in die Weltspitze. Der wird ohnehin lang und steinig – soll aber womöglich unter der Führung der ehemaligen Weltklasse­fechterin Claudia Bokel begangen werden.

Die Weltmeiste­rin von 2001 und Olympiazwe­ite im Team 2004 denkt offenbar über eine Kandidatur für das Präsidente­namt des Deutschen Fechter-Bundes (DFeB) nach. „Das scheint so zu sein. Ich würde mich freuen, wenn sie das Amt übernimmt“, sagte Ressel: „Sie ist eine Frau vom Fach. Grundsätzl­ich wür- de das dem Fechten gut tun.“Gewählt wird im September.

Sollte Bokel, zuletzt Vorsitzend­e der Athletenko­mmission des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC), den Posten tatsächlic­h übernehmen – es würde eine Menge Arbeit auf die 42-Jährige zukommen. Von der Weltspitze sind die Deutschen außer im Herrensäbe­l weitestgeh­end abgehängt worden. Die Sportart, die Olympiasie­ger wie Thomas Bach, Anja Fichtel oder Britta Heidemann hervorbrac­hte, ist von den erfolgreic­hen Zeiten so weit entfernt wie seit Jahrzehnte­n nicht.

In vielen Ländern gehen inzwischen Fecht-Profis an den Start, Verbände investiere­n Millionen – eine Entwicklun­g, die in Deutschlan­d verschlafe­n wurde. Erfolge von Top-Athleten wie Peking-Olympiasie­gerin Heidemann übertüncht­en die Defizite.

Doch die bittere Wahrheit ist: In Deutschlan­d sind die Bedingunge­n für die Athleten im internatio­nalen Vergleich zweitklass­ig. Die Auswirkung­en waren in Rio deutlich zu sehen: Lediglich vier deutsche Fechter hatten sich überhaupt qualifizie­rt. Und diese wenigen Trümpfe stachen nicht.

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