Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Schlappe für Gabriel bei Tengelmann
Das Oberlandesgericht Düsseldorf weist einen Antrag des Ministers zurück. Das Gericht hatte die Ministererlaubnis zur Fusion der Supermarktketten Edeka und Kaiser’s gestoppt. Über Bedenken im eigenen Haus setzte sich Gabriel hinweg.
BERLIN/DÜSSELDORF Die schlechten Nachrichten für Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im Streit über seine Ministererlaubnis zur Fusion der Einzelhandelsketten Edeka und Kaiser’s Tengelmann reißen nicht ab. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf wies gestern einen Antrag Gabriels zurück, mit dem der Minister eine Korrektur von Feststellungen und Schlussfolgerungen des Gerichts zu dem Fusionsfall durchsetzen wollte. Die Richter hatten die von Gabriel im März erteilte Erlaubnis zur Über-
„Gabriel hat eher als SPD-Vorsitzender denn als Wirtschaftsminister agiert“
Kerstin Andreae nahme der Kaiser’s-Supermärkte durch den Marktführer Edeka am 12. Juli vorläufig als rechtswidrig gestoppt. Sie warfen Gabriel Fehler im Verfahren vor und äußerten den Verdacht, er sei befangen gewesen.
Gabriel hatte sich mit der Ministererlaubnis über das zuvor erteilte Fusionsverbot des Bundeskartellamts hinweggesetzt und dies damit begründet, dass Edeka den Erhalt von 16.000 tarifgebundenen Arbeitsplätzen in den Kaiser’s-Filialen für fünf Jahre garantiert habe. Allerdings hatte Edeka-Konkurrent Rewe Ende November 2015 ebenfalls ein Übernahmeangebot vorgelegt, in dem Jobgarantien abgegeben wurden. Ein Vorwurf an Gabriel lautet, er habe das Rewe-Angebot nicht genügend geprüft und Verfahrensbeteiligte darüber nicht informiert.
Das Gericht hält Gabriel vor allem vor, in der entscheidenden Phase am 1. und 18. Dezember 2015 mit den Chefs von Edeka und Tengelmann, Markus Mosa und Karl-Eriwan Haub, geheime Gespräche geführt zu haben. Dadurch entstehe der Eindruck der Befangenheit Gabriels. Mit Rewe-Vertretern habe Gabriel dagegen nicht gesprochen. Das OLG will am 16. November über die von den Konkurrenten Rewe, Markant und Norma eingelegte Beschwerde gegen die Ministererlaubnis mündlich verhandeln. Gabriel hatte angekündigt, alle Rechtsmittel einzulegen und bis vor den Bundesgerichtshof zu ziehen. Der Rechtsstreit kann damit noch Jahre dauern. Bis dahin bleibt die Zukunft der Kaiser’s-Mitarbeiter ungewiss.
Gabriel hat sich zudem offenbar über Bedenken seiner eigenen Mitarbeiter und des Bundesarbeitsministeriums hinweggesetzt, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“berichtete. Der Leiter des Referats für Wettbewerb im Wirtschaftsministerium hatte Gabriel Ende No- vember darauf hingewiesen, dass die Ministererlaubnis nicht mehr erforderlich sei, weil auch der Mitbieter Rewe ein verbindliches Angebot abgegeben habe. Eine Übernahme durch Rewe hätte ähnliche wettbewerbliche Bedenken aufgeworfen, deshalb wurde sie nicht als Alternative angesehen, sagte dazu gestern eine Sprecherin Gabriels.
Das Arbeitsministerium hatte verfassungsrechtliche Zweifel angemeldet, weil Gabriel Edeka eine Vereinbarung zur Tarifbindung abverlangen wollte. Dazu sagte die Sprecherin, Gabriel habe Betriebsvereinbarungen bei Edeka als nicht rechtssicher eingestuft und deshalb tarifvertragliche Lösungen erwirkt.
Die Grünen erhöhten gestern den Druck, indem sie die Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage veröffentlichten. Demnach hatten die Herren Mosa und Haub Gabriel am 23. September 2014 persönlich darüber informiert, dass sie wenig später beim Kartellamt einen Fusionsantrag stellen würden. Gabriel habe bereits die Treffen am 1. und 18. Dezember zunächst nicht eingestanden, nun komme ein weiteres hinzu, sagte Grünen-Wirtschaftspolitikerin Katharina Dröge. Zudem gehe aus dem Papier hervor, dass Gabriel aufgrund des Rewe-Alternativangebots den Wunschübernehmer Edeka gedrängt habe, ein besseres Angebot vorzulegen. „Das wirft ein komisches Licht auf das Verfahren.“Grünen-Fraktionsvize Kerstin Andreae erklärte, Gabriel habe das Verfahren „missbraucht“, um sich als SPD-Vorsitzender zu profilieren. „Gabriel hatte die Motivlage eines SPD-Chefs, der sich im Umfragetief befindet.“Die Aufgabe eines Wirtschaftsministers wäre aber gewesen, mit der Ministererlaubnis sorgsam umzugehen. Man werde im Wirtschaftsausschuss des Bundestags am 21. September Gabriel einvernehmen und danach über einen Untersuchungsausschuss entscheiden.
In keiner anderen Region stehen die Kaiser’s-Märkte so schlecht da wie in Nordrhein-Westfalen. „Die Filialen weisen mit Abstand wesentlich schlechtere Kennzahlen auf als diejenigen in den Regionen Berlin und München“, heißt es in dem vertraulichen Antrag auf Ministererlaubnis, der unserer Redaktion vorliegt. Von den 135 Filialen, die Kaiser’s Ende 2014 in NRW unterhielt, schrieben 91 Verluste. In diesen defizitären Märkten arbeiten 2183 Mitarbeiter der insgesamt 3519 Beschäftigten in NRW. Sollten sie schließen müssen, stünden allein in NRW 2000 Jobs auf dem Spiel, bundesweit dürften es 8000 sein.
Grünen-Fraktionsvizechefin