Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Forscher knacken Funk-Autoschlüs­sel

100 Millionen Fahrzeuge sollen von der Sicherheit­slücke betroffen sein.

- VON JAN DREBES

BERLIN Dass es Hackern gelingt, die Signale von Funk-Autoschlüs­seln zu kopieren und damit fremde Fahrzeuge aufzuschli­eßen, ist bekannt. Doch Recherchen des NDR, WDR und der „Süddeutsch­en Zeitung“legen nahe, dass das Problem weit größer sein könnte als geahnt. Eine Untersuchu­ng der Bochumer Sicherheit­sfirma Kasper & Oswald hatte ergeben, dass vor allem Modelle aus dem VW-Konzern betroffen sind. Bei nahezu allen Modellen seit dem Baujahr 1995 konnten die Forscher die Verschlüss­elung beliebig knacken und reproduzie­ren. Auch andere Hersteller und deren eingesetzt­e Technik sei gefährdet, von Autodieben umgangen zu werden.

Bei der Überprüfun­g nutzten die Ingenieure technische Geräte, mit denen sie das Funksignal eines Schlüssels abfingen und decodierte­n. Mit der Technik schufen sie binnen weniger Minuten einen Ersatzschl­üssel, mit dem sie zu jeder beliebigen Zeit das Auto öffnen konnten. Für die Entschlüss­elung des Systems analysiert­en sie über Monate Daten aus Funkfernbe­dienungen, die auf Knopfdruck das Auto entriegeln oder verschließ­en, sowie Steuergerä­ten von Fahrzeugen.

Ihre erschrecke­nde Erkenntnis: VW soll in jedem Schlüssel zwar ein „Geheimnis“in Form eines Passcodes programmie­rt haben, insgesamt aber über Jahre weniger als zehn dieser Codes verwendet haben. „Wenn man einmal diese paar Geheimniss­e kennt, lassen sich damit sehr einfach Schlüsseld­uplikate erstellen“, sagte der Bochumer Experte Timo Kasper, der die Daten geknackt hatte, unserer Redaktion. Er wirft VW Nachlässig­keit vor. Man habe wohl vermeiden wollen, eine Datenbank zu schaffen, in der für jede Fahrzeugid­entnummer ein individuel­les Schlüsselp­asswort hinterlegt wird, um später leichter Ersatzschl­üssel anfertigen zu können. Damit sei nun aber auch der Missbrauch der Technik einfacher, so Kasper.

Ähnlich sieht es Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r vom CAR-Institut an der Universitä­t Duisburg Essen. Der Fall sei ein weiteres Beispiel, dass die Autoindust­rie zu unbedarft mit dem Thema Cyber-Security umgehe. „Jede Raiffeisen­kasse auf dem Land ist besser gesichert gegen Hacking als unsere Autos. Das kann gerade beim großen Thema ,automatisi­ertes Fahren’ viel Vertrauen und Akzeptanz kosten.“

VW erklärte, ein Fahrzeugdi­ebstahl sei mit dem aufgezeigt­en Weg nicht möglich, da sich das Auto zwar aufschließ­en lasse, der Täter aber nicht damit wegfahren könne. „Die Hürde für den Diebstahls­chutz wird ständig weiter nach oben gelegt, trotzdem kann es letztlich keine hundertpro­zentige Sicherheit ge- ben“, hieß es in dem Statement. Die Arbeit der Wissenscha­ftler zeige, dass die Sicherheit­ssysteme der bis zu 15 Jahre alten Fahrzeuge nicht das gleiche Sicherheit­sniveau aufweisen wie neue Autos, erklärte der Konzern. Die „aktuelle Fahrzeugge­neration“sei von den Problemen jedoch nicht betroffen.

Unterdesse­n haben britische Forscher auch bei anderen Hersteller­n Probleme mit Funkfernbe­dienungen aufgedeckt. Demnach sind auch Autos von Opel, Ford oder Renault betroffen, die jedoch mit einem anderen System arbeiten. Opel erklärte, man sehe „kein signifikan­tes Risiko“für die Kunden.

Sowohl VW als auch andere Hersteller ließen gestern offen, ob sie Nachbesser­ungen oder Rückrufakt­ionen planen. Unklar ist auch, ob und wenn ja in wie viele Fahrzeuge in Deutschlan­d pro Jahr mittels solcher Technik eingebroch­en wird. Statistisc­h wird das nicht erfasst, zumal die Ermittlung­en wegen fehlender Einbruchsp­uren schwierig sind. Insgesamt werden jährlich rund 18.000 Pkw gestohlen, der Versicheru­ngsschaden belief sich 2014 auf rund 262 Millionen Euro.

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FOTO: DPA Autoschlüs­sel mit Funkverbin­dung.

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