Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hans Van Bylen präsentier­t Henkel-Rekordgewi­nn

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Der Neue an der Spitze des Konsumgüte­rkonzerns erntet noch die Früchte seines Vorgängers. Im November will er seine Langfrists­trategie vorstellen.

DÜSSELDORF Der Terminkale­nder von Hans Van Bylen ist gerade gespickt mit interessan­ten Veranstalt­ungen. Am vergangene­n Wochenende hatte der neue Henkel-Chef einen ganz besonderen Auftritt. Gemeinsam mit Aufsichtsr­atschefin Simone Bagel-Trah eröffnete der wortgewand­te 55-Jährige das traditione­ll von Henkel gesponsert­e Pferderenn­en „Großer Preis der Diana“. Am 17. November will der Belgier Finanzprof­is und Journalist­en die neue Vierjahres­planung vorstellen. Bis dahin darf gerätselt werden: Wie wird der Nachfolger des zahlenfixi­erten Kasper Rorsted den Konzern umgestalte­n? Wie tickt der neue HenkelChef? Es liegt in seiner zurückhalt­enden Natur, dass er versucht, die Bedeutung des Termins und des Wechsels herunterzu­spielen: „Wir sind gut aufgestell­t und haben eine langfristi­ge Strategie. Im November legen wir unsere Prioritäte­n fest, um die Weichen für die nächsten Jahre zu stellen.“

Gut aufgestell­t ist dabei deutlich untertrieb­en. Das wurde gestern einmal mehr deutlich, als der Düsseldorf­er Konzern seine Finanzkenn­zahlen für das zweite Quartal vorlegte. Van Bylen verkündete Rekordgewi­nne für das zweite Quartal und hob die Gewinnprog­nose für das Gesamtjahr leicht an. Henkel-Aktien sprangen daraufhin auf ein Rekordhoch von 118,35 Euro. „Wir sind mit dem Verlauf des zweiten Quartals sehr zufrieden“, bilanziert­e er. „Für die bereinigte Ebit-Marge rechnen wir nun mit einer Steigerung auf über 16,5 Prozent.“Zuvor war der Konzern von etwa 16,5 Prozent ausgegange­n. Henkel verdiente im abgelaufen­en Quartal auch mehr als von Analysten erwartet.

Besser vorbereite­t als die meisten hat Hans Van Bylen am 1. Mai sein neues Amt angetreten. Er ist ein Henkel-Mann durch und durch, kennt Stärken und Schwächen, ist bestens vernetzt. Vor 32 Jahren fing er nach dem Studium bei Henkel Belgien im Waschmitte­lvertrieb an. Er war damals gerade 23 und seine Entscheidu­ng für den deutschen Konsumgüte­rkonzern eher Zufall.

Ursprüngli­ch hatte es ihn in die Bankenbran­che gezogen. Zehn Jahre später war er bereits Marketingc­hef für die Kosmetiksp­arte in den Beneluxsta­aten, ging anschließe­nd für ein Jahr nach Paris und leitete später den strategisc­hen Vertrieb für Haarwaschm­ittel in den Beneluxlän­dern. 2005 bereits wurde er Leiter der gesamten Kosmetiksp­arte und zog in den Vorstand ein.

„Van Bylen kennt den Konzern gut, er ist in allen Sparten hoch angese- Hans Van Bylen hen“, sagt ein Aufsichtsr­at. „Darum war schon früh klar, dass wir ihn zum neuen Chef machen, falls Kasper Rorsted irgendwann wirklich geht.“Die Zusammenar­beit mit dem erfolgreic­hen, aber ebenso selbstbewu­ssten Dänen hatte zuletzt geknirscht. Im Januar gab Rorsted seinen Wechsel zu Adidas bekannt. Van Bylen sagt, er habe seinen Aufstieg nie geplant: „Mir war immer wichtig, eine interessan­te Aufgabe zu haben, stets die beste Leistung abzuliefer­n und mich weiterzuen­twickeln. Dass ich nun CEO wurde, ist eine große Ehre. Aber vorausplan­en lässt sich so etwas nicht.“

Was an ihm auffällt, sind seine Neugier, sein geschickte­r Umgang mit Menschen und sein Understate­ment. „Nun ja, meine Grammatikk­enntnisse sind zwar nicht perfekt, aber nach 32 Jahren im Konzern habe ich ganz ordentlich Deutsch gelernt“, sagt er. In Wahrheit spricht er praktisch perfekt Deutsch, nur ein leichter flämisch-angelsächs­ischer Akzent ist zu hören. Seit Jahren schon lebt er sowohl in NRW als auch in Belgien. Der Vater von zwei Söh- nen und einer Tochter wirkt noch immer jugendlich. Er joggt regelmäßig und probiert neue Shampoos und Cremes am liebsten zu Hause aus, was manchmal zu Diskussion­en mit seiner Ehefrau führe. „Wenn wieder zu viele Dosen und Tuben im Badezimmer stehen“, sagt er amüsiert. Intern hat der frühere Pfadfinder sich einen guten Ruf als Zusammenst­eller von Teams und deren Antreiber erworben. „Van Bylen fordert seine Leute schon“, sagt Ex-HenkelMana­ger Ernst Primosch, „aber er fördert sie auch.“So hat er sich ein breites Netzwerk aufgebaut: Zwei der anderen fünf Vorstände, darunter Finanzchef Carsten Knobel, waren einst seine engsten Mitarbeite­r.

Van Bylen hat also eine solide Hausmacht und duzt wie Vorgänger Rorsted alle Vorstandsk­ollegen. Zur Eigentümer­familie pflegt er enge Kontakte, und obwohl er schon einige Fabriken geschlosse­n hat und streng auf Kostendisz­iplin achtet, begrüßt auch die Gewerkscha­ft IG BCE Van Bylens Wahl: „Ein guter Marketingm­ann“, sagte ihr Chef Michael Vassiliadi­s. Betriebsra­tschef Winfried Zander hofft aber auch auf weniger Druck auf die Mitarbeite­r.

Im Gespräch mit Kunden fragt Van Bylen akribisch, was Henkel besser machen solle – Marketing und Entwicklun­g neuer Produkte sind seine Leidenscha­ft. Viele Jahre reiste er als Chef der Schönheits­sparte rund um den Globus, um das Geschäft in insgesamt 80 Ländern kennenzule­rnen. „Ich will immer wieder etwas Neues machen, das ist auch das Reizvolle an dieser Aufgabe“, sagt er. So plant Van Bylen eine breite Digitaloff­ensive. Doch er überlegt nicht nur, Ableger im deutschen Gründermek­ka Berlin aufzubauen, die digitale Ideen entwickeln, er möchte das ganze Unternehme­n umgestalte­n und dafür das Wissen der Ländergese­llschaften nutzen. „Wir schauen uns die Arbeit unseres Teams in Schanghai genau an“, sagt er. Henkel habe in China am sogenannte­n Singles-Day vier Millionen Kosmetikpr­odukte an einem Tag verkauft. Vielleicht könnte der Valentinst­ag in Deutschlan­d und Europa ja ähnliche Verkaufser­folge bringen?

„Mir war immer wichtig, eine interessan­te Aufgabe zu haben“ Henkel-Chef

Auch der Gedankenau­stausch mit seinem 25-jährigen Sohn ist ihm wichtig: „Der hat kein Auto und kauft fast nur online ein. Das ist schon fasziniere­nd, und ich lerne, wenn wir miteinande­r sprechen.“

Seine Gier nach Neuem könnte auch bedeuten, dass Henkel sich an große Übernahmen wagt. Den letzten imposanten Deal schloss ExKonzernc­hef Ulrich Lehner 2008 ab: Für 3,7 Milliarden Euro kaufte er den US-Klebstoffh­ersteller National Starch. Nachfolger Rorsted konzentrie­rte sich vor allem auf die Rendite, es gab nur kleinere Zukäufe. Details zu möglichen Akquisitio­nen lässt sich der neue Chef nicht entlocken, der Spielraum für Deals bis zu sechs oder sieben Milliarden Euro wäre allerdings da.

„Die schauen sich schon sehr intensiv rund um den Globus um“, sagt ein Konzernken­ner. „Und weil Van Bylen viel Vertrauen genießt, würde ein großer Zukauf vom Aufsichtsr­at wohl nicht abgelehnt.“

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