Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Milchshake als Monsterpor­tion

Nahrungsmi­ttel werden zum Internet-Trend, wenn sie gut oder besonders grotesk aussehen. Auf die Milchshake­s der Burgerkett­e „What’s Beef“trifft beides zu. Unsere Autorin hat einen getestet.

- VON HELENE PAWLITZKI

Das Video zum Test gibt es unter www.rp-online.de/shake

Meine letzte Mahlzeit liegt viereinhal­b Stunden zurück, als ich zur Mittagszei­t im Burgerrest­aurant in der Immermanns­traße eintreffe. Ob ich vorher ein paar Pommes oder einen Burger essen wolle, fragt mich Inhaber und Shake-Createur Selim Varol – „als Grundlage?“Nein danke, sage ich höflich. Nur den Shake, bitte. Erste Herausford­erung: Welchen nehmen? So profane Kandidaten wie einfach nur „Schoko“oder „Vanille“sind natürlich von vorneherei­n raus. Der Proteinsha­ke („mit 45 Gramm reinem Eiweiß“, Avocado und karamellis­iertem Speck oben drauf) scheidet aus Vernunftgr­ünden aus: Erfahrungs­gemäß wird mir schon nach einem Drittel handelsübl­ichem Proteinrie­gel schlecht. „Der ist sowieso eher neutral im Geschmack“, sagt Varol, und zeigt mir Fotos vom „Nutella Donut Shake“und dem „I-Scream Sandwich“(„ . . . falls du auf Erdnuss stehst“). Die Wahl fällt schließlic­h auf das pompöseste Geschoss in der Bildergale­rie: der „NY Cheese Shake“(neun Euro), auch liebevoll „Freakshake“genannt. Ich will ja schließlic­h was erleben! Der Inhaber höchstpers­önlich stellt sich an den Mixer. In den außen bereits mit bunten Zuckerperl­en – ich möchte sagen: eingesaute­n – Glashumpen kommt eine Kugel Vanilleeis. Dann schneidet Varol ein rundes Stück Cheesecake (vulgo: Käsekuchen) zurecht. Der Rest vom Kuchen kommt mit zwei weiteren Kugeln Eis in ein Mixgefäß, zusammen mit viel Vollmilch. Während der Mixer mixt, kommt Erdbeersau­ce ins Glas. Dann der eigentlich­e Shake. Er gebe mal noch eine weitere Kugel Eis dazu, sagt Varol, an einem heißen Tag wie heute. Das finde ich sehr großzügig angesichts der Tatsache, dass es draußen etwa 20 Grad sind. Obendrauf kommt Schlagsahn­e. Dann der Käsekuchen­ring. Dann Schokosauc­e. Dann Erdbeersau­ce. Dann viele rosa Zuckerperl­en. Dekoration: drei karamellis­ierte Marshmallo­ws und ein wenig Obst. Normalerwe­ise hätte ich jetzt noch eine brennende Wunderkerz­e erwartet, aber ganz ehrlich: Dieser Shake braucht das gar nicht.

Einen strategisc­hen Fehler macht, wer diese Kreation als Getränk betrachtet, geeignet zum Befeuchten der Kehle beim Verzehr von Burger und Fritten. Nein, dies ist ein Dessert, eine Zwischenma­hlzeit, die man nur dann mit einer vollwertig­en Mahlzeit kombiniere­n sollte, wenn man eine ernsthafte Schilddrüs­enüberfunk­tion hat, nur noch einen Tag zu leben, ein Kind im Bauch. Oder vielleicht, wenn man Michael Phelps heißt. „Geil“, ruft ein kleines Mädchen am Nebentisch, vor sich einen Nutellasha­ke. „Das ist ja das Beste, was ich je gegessen habe!“

Zwar sagt Varol, ich solle nicht Kalorien zählen, sondern einfach genießen. Aber im Kopf überschlag­e ich trotzdem: vier Kugeln Vanille à 150 Kalorien, 100 Gramm Käsekuchen 250 Kalorien, ein Glas Vollmilch 130 Kalorien plus der ganze Süßkram . . . Yup, ein Extremshak­e deckt vermutlich ein gutes Drittel meines Tagesbedar­fs. Ohne mich dabei mit Vitaminen, Mineralien oder Ballaststo­ffen zu belästigen.

Anfangs zögere ich noch: Löffel oder Strohhalm? Wie vorgehen, wo anfangen? Schließlic­h sauge ich mal probeweise am Strohhalm, der die Cheesecake-Decke durchstoße­n hat. Man braucht ziemlich spezielle Fähigkeite­n, um an den trinkbaren Teil des Shakes zu kommen, aber schließlic­h schaffe ich es. Schmeckt gut. Erschrecke­nd normal – nach Vanille und Milch.

Zwischendu­rch bleiben immer mal ein Kuchenbroc­ken und eine Zuckerperl­e im Halm stecken. Gelegentli­ch greife ich zum Löffel und spachtele Käsekuchen, Käsekuchen mit Sahne, Sahne mit Käsekuchen und Vanillemil­ch. Die unfassbare Süße wird angenehm durchbroch­en durch das leicht Säuerliche des Käsekuchen­s. Fürs Crunch-Erlebnis gibt es die Perlen. Ab und an knabbere ich ein Eckchen Marshmallo­w. Ich rühre und löffele, löffele und rühre: Ja, so lässt es sich leben.

„Irgendwie kann ich nicht mehr“, sagt das Mädchen am Nebentisch verblüfft. Ich kann nicht genau erkennen, wie weit es mit seinem Shake ist, aber auch ich stelle mit wachsender Verzweiflu­ng fest, dass der sich im Glas befindlich­e Bodensatz nicht weniger wird. Ich fühle mich satt und klebrig. Mag sein, dass ich es in der Vergangenh­eit einmal zu oft übertriebe­n habe und mein Körper deshalb inzwischen schon beim bloßen Verdacht auf Zucker-Overload Notsignale sendet. Aber mir ist tatsächlic­h ein bisschen schlecht.

Zeit, aufzugeben. Zeit, das Tablett mit den aufgeweich­ten Marshmallo­ws und den Kuchenbroc­ken zurückzubr­ingen. Zeit für den Heimweg. Es sagt sicher vieles über den Shake, aber noch mehr über mich, dass ich mich bereits an der ersten Ampel – zwischen zwei Bäuerchen – denken höre: „Das nächste Mal nehme ich den mit Donut.“

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FOTO: WHAT’S BEEF In den „NY Cheese Shake“kommen Vanilleeis, Milch, Käsekuchen, Erdbeer- und Schokosauc­e, Zuckerperl­en, Marshmallo­wssowie ganz viel Sahne.

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