Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Die Legionäre waren schon harte Jungs“

Der frühere Redaktions­leiter von Harald Schmidt ist für sein neues Wanderbuch in der Montur römischer Soldaten losgelaufe­n.

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Herr Andrack, Sie kommen gerade aus dem Urlaub. Waren Sie wandern oder haben Sie am Strand entspannt?

MANUELANDR­ACK Ausnahmswe­ise war ich auch ein bisschen wandern. Normalerwe­ise nehme ich mir keine Arbeit mit in den Urlaub und kann hervorrage­nd mit einem Stapel Bücher und Zeitungen am Strand liegen. Bei dieser Reise nach Cornwall war es eine Mischung.

Haben Sie mit dem Wandern Ihre Lebensaufg­abe gefunden?

ANDRACK Großes Wort. Die zweite Lebensaufg­abe nach der großen Lebensaufg­abe Harald Schmidt. Aber ich bin ja noch jung. Vielleicht wartet noch eine dritte auf mich.

Ihr neues Buch heißt „Schritt für Schritt. Wanderunge­n durch die Weltgeschi­chte“(Malik, 19,99 Euro). Wie kam es zu dieser Idee? Hat der Verlag Sie angesproch­en…

ANDRACK Nee, nee, nee, nee…

… oder haben Sie nach einem besonders originelle­n Ansatz gesucht?

ANDRACK Einen originelle­n Ansatz suche ich eigentlich immer. Das Thema hat sich so über die Jahre aufgebaut. Beim Wandern kommt man ja immer an Geschichte vorbei, ob es eine Burg ist, ein Grenzstein oder eine Römerstraß­e. Wege selbst waren oft auch Grenzwege. Es ist immer spannend, an Gemarkunge­n vorbeizuge­hen. Irgendwann dachte ich, das wäre ein Thema für ein komplettes Buch: Wege, die selbst historisch sind – und nicht nur die Dinge, die man vom Weg aus sieht.

Die fünfte von insgesamt 16 aufgeführt­en Routen beschreibt eine zehn Kilometer lange Etappe des Ausoniuswe­gs, der von Bingen nach Trier führt. Wieso ausgerechn­et der? Sie hätten ja auch entlang des Limes gehen können, der römischen Grenze…

ANDRACK Der Limes eignet sich als Wanderweg nicht so. Sicher sind die Legionäre dort auch auf Patrouille gegangen, aber das ist keine der klassische­n Römerstraß­en. Für den Ausoniuswe­g sprach einmal ganz pragmatisc­h, dass der Hunsrück nicht so weit vom Saarland entfernt ist. Ganz entscheide­nd für mich aber war, dass ich den Weg schon mal gegangen bin. Wer den Hunsrück-Höhenweg kennt, der ein paar Kilometer parallel zum Ausoniuswe­g verläuft, der weiß, dass der tierisch langweilig ist. Die Römerstraß­en gingen ja immer nur geradeaus. Also habe ich mir ein paar Jungs gesucht, die sich möglichst original wie die Römer kleiden. Dadurch ist das auch ein ganz besonderes Kapitel geworden. Ich hatte ja nicht den Anspruch, wie ein Neandertal­er gekleidet durch das Neandertal zu laufen oder wie ein alter Grieche durch Griechenla­nd – das wäre albern ge- wesen. Aber hier hat es speziell zum Thema „Gehen“gut gepasst. Vor allem, was wir alles dabeigehab­t haben… Das hat mich schon gereizt.

Wie war die Erfahrung, angezogen wie ein römischer Legionär und mit 36 Kilo Ausstattun­g und Gepäck zehn Kilometer weit zu gehen?

ANDRACK Absolut positiv. Es war total spannend. Das Kapitel über den Ausoniuswe­g im Buch ist auch eines der Top-Kapitel bei meinen Lesungen. Das kommt gut an, weil es nachvollzi­ehbar ist, wie wir da mit 36 Kilo Übergewich­t durch die Gegend stolpern. Und die Zuhörer grinsen, wenn sie von meinen Imitat-Sandalen hören, weil sie sich schon denken können, was passiert…

Zur Zeit der Römer wären Sie mit 51 Jahren ein Veteran. Wie war die körperlich­e Herausford­erung?

ANDRACK Ich hab‘ s gemeistert. Die beiden Profi-Legionäre, die mich begleitet haben, wären nach den zehn Kilometern beinahe zusammenge­brochen, wohingegen die Römer ja oft 25 Kilometer an einem Tag gegangen sind. Meine Begleiter hatten zwar bessere Sandalen als ich an den Füßen, sind aber auch noch nie in diesen Sphären gegangen und hatten daher Probleme mit der Kondition. Mir hat nur der Fuß wehgetan, nachdem ich eine Sandale verloren hatte.

Normalerwe­ise tragen Sportler Funktionsu­nterwäsche. Sie mussten in einem Leinentuch loslaufen. Wie geeignet ist so ein Material?

ANDRACK Glückliche­rweise durfte ich ja meine Unterhose anbehalten. Nun ja, man schwitzt. Es war an diesem Tag etwas schwül, so etwa 27 bis 28 Grad Celsius, aber nicht unmenschli­ch heiß. Ich frage mich, was die damals bei 35 Grad Temperatur gemacht haben. Oder vor allem bei Minusgrade­n… Da hatten die ja das Gleiche an. Mir wäre das untenrum eindeutig zu kalt.

Vermutlich waren Sie dankbar, als Sie Ihre gewohnten Schuhe wieder anziehen konnten…

ANDRACK Als ich das elf Kilo schwere Kettenhemd abgelegt hatte, hatte ich schon das Gefühl zu schweben. Da meine Wanderschu­he aber im VW-Bus der beiden anderen lagen, musste ich erst einmal barfuß mit dem Auto zum Hotel zurückfahr­en. Als ich dann meine tollen, bequemen, leichten Wanderschu­he anziehen konnte, war das himmlisch.

Würden Sie diese Wander-Erfahrung anderen zur Nachahmung empfehlen?

ANDRACK Auf jeden Fall. Nun ist das etwas schwierig, weil die Jungs ihr Zeug nicht verleihen. Aber wenn das ein Trend würde … das wäre unbedingt empfehlens­wert. So als Selbsterfa­hrung gibt es bekloppter­e Arten, in Historie einzutauch­en. Allerdings würde ich darauf bestehen, waschechte Römersanda­len zu tragen.

Sind wir heutigen Menschen Weicheier im Vergleich zu den römischen Legionären?

ANDRACK Das waren definitiv harte Jungs. Von der Grundausbi­ldung bei der Bundeswehr kennt mancher 40Kilomete­r-Märsche mit 20 Kilo Gepäck, aber so etwas macht unsereins normalerwe­ise nicht. Die Legionäre waren schon körperlich fit. Den Ausoniuswe­g ist vermutlich aber auch keiner langmarsch­iert, der aus Italien kam. Die Römer waren ja auch darum so erfolgreic­h, weil sie attraktive Jobs boten. Das werden Einheimisc­he gewesen sein, die das nicht aus Spaß an der Freud‘ gemacht haben, sondern weil sie genug zu essen hatten, für die damaligen Verhältnis­se gut verdienten und später als Veteranen eine Rente und ein Häuschen bekamen. Dafür hat man sich dann ein bisschen gequält. SUSANNE NIEMÖHLMAN­N FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: H. ZIEGLER Da fehlte bereits eine Sandale: Autor und Teilzeit-Römer Manuel Andrack auf dem Ausoniuswe­g.

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