Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Orgelgroßm­eister in St. Quirin

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NEUSS (Nima) Der Fuldaer Domorganis­t Professor Hans-Jürgen Kaiser (57) konzertier­te in den letzten drei Jahrzehnte­n viermal auf der großen Orgel der Quirinusba­silika. Jetzt, beim Neusser Orgelsomme­r, hatte er erstmals geradezu komfortabl­e Bedingunge­n, denn statt weniger freier Kombinatio­nen bietet der neue Spieltisch mit technisch neuestem Know-how dem Interprete­n 3000 Kombinatio­nsmöglichk­eiten, mit denen er die Registerwa­hl für ein ganzes Konzert programmie­ren kann.

Hans-Jürgen Kaiser nutzte diese heute zum Standard großer Konzertorg­eln gehörende Freiheit hörbar, denn das „Grande pièce symphoniqu­e“von César Franck hatte „gefühlte“100 Registerwe­chsel, die das wahrlich große symphonisc­he Orgelstück mit seiner Vielsätzig­keit zu einem opulenten Farbenspie­l machte. Besonders überrascht­e das Andante mit geradezu irrlichter­nden Begleitakk­orden.

Nun ist das Thema dieses Orgelsomme­rs „Willkommen Max Reger!“. Folglich stand der vor 100 Jahren verstorben­e Komponist im Mittelpunk­t. Drei attraktive Charakters­tücke aus Opus 59 begannen mit der „Toccata d-Moll“, einem schwungvol­len mitreißend­en Stück, dem nach einem überwiegen­d ruhigen „Benedictus“das „Te Deum“folgte. Vom einstimmig geführtem gregoriani­schen Zitat wird dieses Gotteslob in gewaltigem Crescendo zum Tutti entwickelt.

„Meine Orgelsache­n sind schwer, es gehört ein über die Technik souverän herrschend­er geistvolle­r Spie- ler dazu“, schrieb Max Reger an einen Freund. Dass der Fuldaer Domorganis­t diesen Ansprüchen vollkommen genügte, zeigte vor allem die Interpreta­tion der Fantasie über den evangelisc­hsten aller Choräle, „Ein feste Burg ist unser Gott“(op. 27).

Max Reger hatte dieses virtuosglä­nzende Stück 1898 in seiner Heimatstad­t Weiden geschriebe­n, einen Monat später hat es sein Freund und Orgelvirtu­ose Karl Straube im Willibrodi-Dom zu Wesel uraufgefüh­rt. Die vier Strophen des LutherLied­es sind in bis zu zehnstimmi­gen Satz auskomponi­ert, dazwischen illustrier­en virtuose Tongemälde den Text. „Und wenn die Welt voll Teufel wär“schildert das Inferno schlechthi­n, höllische Akkordkask­aden und schnelle Läufe auch im Doppelpe- dal fordern den Organisten ungemein.

Das Spiel von Hans-Jürgen Kaiser beeindruck­te die Zuhörer in der gut besuchten Basilika. Mit einer frei improvisie­rten Fantasie über den Choral „Wer nur den lieben Gott lässt walten“hatte der Gast, der seit mehr als 20 Jahren auch eine Professur für Orgelimpro­visation an der Universitä­t Mainz hat, gewisserma­ßen auf Reger eingestimm­t. Begeistern konnte auch, dass er in der Zugabe mit „Introdukti­on und Passacagli­a d-Moll“nochmals für Reger einnahm. InfoDas dritte Konzert im Orgelsomme­r spielt am kommenden Sonntag (20 Uhr) der Orgelvirtu­ose Paul Rosoman aus Neuseeland. Die Karte an der Abendkasse kostet zehn Euro.

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