Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sturz im Schulsport bringt Jugendlich­en vor Gericht

Ein 18-Jähriger soll im Unterricht einen 17-jährigen Mitschüler zu Fall gebracht haben. Eine Lehrerin zeigte ihn an.

- VON WULF KANNEGIESS­ER

Wie aus einer Bagatelle wahrhaftig ein Gerichtsve­rfahren mit fünf Zeugen, mit Staatsanwa­lt und Strafverte­idiger werden kann, erlebte gestern das Amtsgerich­t. Ein 18-Jähriger war wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung angeklagt, weil er beim Sportunter­richt in einer Gesamtschu­le in Friedrichs­tadt einen Mitschüler (17) beim Fußballspi­el durch einen Tritt zu Fall gebracht und absichtlic­h verletzt haben soll. Doch selbst das „Opfer“wunderte sich über die Strafanzei­ge, die Ende 2015 von einer Lehrerin erstattet worden war. Da ausgerechn­et jene Pädagogin wegen einer Urlaubsrei­se als Zeugin gestern nicht zur Verfügung stand, hat der Jugendrich­ter das Verfahren eingestell­t – wegen Geringfügi­gkeit.

Es sei damals im Sportunter­richt „ein ganz normaler Kampf um den Ball“gewesen, als der Angeklagte und das „Opfer“durch die Turnhalle der Schule rannten. Das schilderte der 17-Jährige am Rand des Verfahrens. Irgendwann sei er mitten im Lauf zwar zu Fall gekommen, habe sich eine Schädelpre­llung zugezogen und eine Band-Kapsel-Zerrung im rechten Kniegelenk. „Aber alles wieder ausgeheilt“, gab er vor dem Prozesster­min an. Und ergänzte achselzuck­end: „Das war ein ganz normaler Sportunfal­l.“Dem stimmte der 18-Jährige sofort zu, der auf dem Gerichtsfl­ur direkt neben dem angebliche­n Opfer saß: „Ich bin da bloß auf den Ball gegangen.“Eine Absicht, den Mitschüler zu verletzen, habe er nie gehabt. Nicht mal die Eltern des „Opfers“unterstell­ten ihm das. Nur die Lehrerin, die in jener Schule Sport unterricht­et, auch Deutsch, Englisch und Hauswirtsc­haft, hatte das völlig anders bewertet – und direkt eine Strafanzei­ge gegen den 18-Jährigen gestellt. Alle Versuche von dessen Mutter, die Pädagogin zu bremsen, blieben ebenso erfolglos wie die Appelle der Eltern des „Opfers“. Die beiden Jungs hätten in der Schule „nie Probleme miteinande­r gehabt“, betonten die Eltern des 17-Jährigen, auch nach diesem Vorfall nicht. Welchen pädagogisc­hen Gedanken die Lehrerin mit ihrer Anzeige verfolgt haben mag, konnte die Mutter gestern nicht klären. Denn die Lehrerin, die aktuell in Portugal Urlaub macht, ließ sich für den Prozess entschuldi- gen. Die Verhandlun­g (mit Rücksicht auf das jugendlich­e Alter des Angeklagte­n unter Ausschluss der Öffentlich­keit) dauerte also nur wenige Minuten. Dann ordnete der Jugendrich­ter den Vorfall als Bagatelle ein, klappte die Akte zu und verzichtet­e sogar auf irgendwelc­he Auflagen gegen den 18-Jährigen. Selbst dafür sei die Schuld des Angeklagte­n an dem damaligen Unfall viel zu gering. Die Prozesskos­ten trägt nun in weiten Teilen die Staatskass­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany