Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Turbo-Abi“fällt an Parteibasi­s durch

Die Unterbezir­ks- und Kreisvorsi­tzenden von SPD und CDU in NRW sind skeptisch, was das achtjährig­e Gymnasium angeht. Weniger als die Hälfte wollen das G 8 behalten, viele plädieren für Abwarten.

- VON FRANK VOLLMER

DÜSSELDORF An der Basis von CDU und SPD in Nordrhein-Westfalen ist keine klare Mehrheit mehr für das achtjährig­e Gymnasium (G8) zu erkennen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unserer Redaktion unter den jeweils 54 Vorsitzend­en der CDU-Kreisverbä­nde und der SPDUnterbe­zirke. Sowohl bei der CDU als auch bei der SPD sprach sich jeweils weniger als die Hälfte der Antwortend­en klar oder tendenziel­l für G8 aus. Eine Rückkehr zu G9 hat ebenfalls wenige entschiede­ne Befürworte­r; knapp die Hälfte legt sich nicht fest oder möchte abwarten, wie sich die jüngst beschlosse­nen G8-Reformen auswirken.

Ein von Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) einberufen­er runder Tisch hatte 2014 für Entlastung­en der Schüler votiert, unter anderem eine Reduzierun­g des Nachmittag­sunterrich­ts und der Hausaufgab­en. Die Wirksamkei­t der Maßnahmen will das Ministeriu­m bis Ende des kommenden Schuljahrs überprüfen; Ergebnisse sollen 2017 vorliegen.

Zu den G8-Befürworte­rn gehört zum Beispiel der Krefelder CDU- Kreisvorsi­tzende Marc Blondin. „Nach meinem Verständni­s muss es möglich sein, in acht Jahren diejenigen Lerninhalt­e zu vermitteln, die die Feststellu­ng einer allgemeine­n Hochschulr­eife rechtferti­gen“, sagte Blondin. Er empfehle der CDU, sich im Landtagswa­hlkampf – Wahltag ist der 14. Mai 2017 – klar für G8 auszusprec­hen. Der Duisburger CDU-Chef Thomas Mahlberg pflichtete Blondin bei: „Für mich ist eine gewisse Kontinuitä­t wichtiger statt häufiger Systemwech­sel.“Bei der SPD sprach sich der Euskirchen­er Unterbezir­kschef Markus Ramers für G8 aus: „Eine Rolle rückwärts zu G9 halte ich für falsch.“

Befürworte­r von G9 sind bei der SPD Josef Neumann (Solingen) und Martin Peters (Region Aachen). „Schüler stehen vermehrt unter Stress“, sagte Peters: „Daher sollten wir uns nicht unnötig schwertun, eine Rückkehr zu G9 herbeizufü­hren.“Sein Unterbezir­k werde beim SPD-Landespart­eitag im September einen entspreche­nden Antrag einbringen. Bei der CDU warb Christos Katzidis (Bonn) für Wahlfreihe­it der Eltern: Die Politik solle „regionale Lösungen zulassen“.

Ebenso groß wie die Gruppe derer, die zu G8 tendieren, ist neun Monate vor der Wahl der Anteil derer, die sich nicht festlegen wollen. So schickten allein zehn CDU-Kreisvorsi­tzende auf die Frage nach ihrer persönlich­en Präferenz eine wortgleich­e Stellungna­hme, die gegen „Denkverbot­e“, aber auch gegen „voreiliges Handeln“plädiert.

„Wir werden alle Fakten und die Ergebnisse vor Ort auswerten“, sagte CDU-Landeschef Armin Laschet unserer Redaktion. Rot-Grün habe G8 nicht erfolgreic­h umgesetzt, was Eltern, Lehrer und Schüler verärgere: „Wichtig ist aber auch, dass nicht immer wieder und noch mehr Unsicherhe­it in die Schulen getragen wird. Schnellsch­üsse sind fehl am Platz.“SPD-Generalsek­retär André Stinka versprach: „Die Sorgen nehmen wir ernst.“CDU und FDP hätten G8 „sehr schlecht eingeführt“. Auf dem Parteitag werde das Thema die SPD beschäftig­en: „Es liegen vereinzelt­e Anträge zur Diskussion vor.“

Von den Parteien im Landtag haben sich nur die Piraten klar für G9 ausgesproc­hen; die AfD will mit dieser Forderung in den Wahlkampf ziehen. Elterninit­iativen werben für die Rückkehr zu G9 und haben dazu ein Volksbegeh­ren angekündig­t. Auch die Landeselte­rnschaft der Gymnasien plädiert inzwischen für G9, nachdem eine von ihr in Auftrag gegebene Umfrage im April eine Mehrheit von 79 Prozent gegen G8 ergeben hatte. Leitartike­l Politik

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