Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sarrazin kritisiert Hannelore Kraft

Der Berliner Ex-Politiker äußert sich zum Umgang der SPD mit der Affäre Hinz.

- VON DETLEV HÜWEL

DÜSSELDORF Petra Hinz will ihr Bundestags­mandat zum Monatsende niederlege­n. Das hatte die umstritten­e SPD-Politikeri­n allerdings schon vor Wochen angekündig­t, ohne dass Taten gefolgt wären. Hinz gab sich 30 Jahre lang als Juristin aus, die sie gar nicht ist. „In der Persönlich­keit von Petra Hinz ist offenbar ein unbalancie­rtes Element, sonst hätte sie nicht ihren Lebenslauf leichtfert­ig gefälscht und über Jahrzehnte daran festgehalt­en“, meint der frühere Berliner SPD-Politiker und Buchautor („Deutschlan­d schafft sich ab“) Thilo Sarrazin auf Anfrage unserer Redaktion.

„Das eigentlich­e Drama“, so Sarrazin weiter, „sehe ich darin, dass offenbar niemand in ihrem innerparte­ilichen Umfeld ihre Persönlich­keitsstöru­ng bemerkt hat oder mit ihr so vertraut umging, dass er Einblick in ihre privaten Verhältnis­se bekam.“Die Filterfunk­tion der Kandidatur für eine demokratis­che Partei habe „also spektakulä­r versagt. Das bringt für die SPD in ihrer Kernregion einen erhebliche­n Vertrauens­schaden mit sich.“

Hinz, zurzeit krankgemel­det, hatte dem Essener Parteichef Thomas Kutschaty vorgeworfe­n, er halte sich nicht an Absprachen. Kutschaty wies das zurück und zeigte sich er- staunt, dass Hinz zwar ein Interview geben könne, sich aber außerstand­e sehe, ihr Mandat vor einem Notar niederzule­gen.

SPD-Landeschef­in Hannelore Kraft hatte zu dem Fall lange nach außen hin geschwiege­n – gerade so, als ginge der Skandal ausgerechn­et die NRW-SPD nichts an. Dass sich Kraft bedeckt hielt, erklärte Sarrazin damit, dass sie vermutlich bestrebt gewesen sei, „durch den Unrat dieses Skandals nicht persönlich infiziert zu werden“. Eine öffentlich­e Äußerung hätte auch eine Distanzier­ung von den Verhältnis­sen enthalten müssen, die in der Essener SPD zur Aufstellun­g von Hinz führ- ten. Sarrazin: „Die Wirkungen solch einer Distanzier­ung sind zweischnei­dig, weil das Unwert-Urteil über Petra Hinz vom Unwert-Urteil über die zuständige­n Parteigrem­ien kaum zu trennen ist.“Sarrazin kritisiert­e das Drängen des Essener SPD-Chefs: „Wer im Übermaß drängt, ohne dass die Gedrängte reagiert, führt unfreiwill­ig auch die eigene Ohnmacht vor. So kann der für die SPD bereits eingetrete­ne Schaden noch vergrößert werden.“Kutschaty und der Essener Parteivors­tand hatten Hinz ein Ultimatum zum Mandatsver­zicht gestellt. Kutschaty musste eingestehe­n, dass seine „Möglichkei­ten erschöpft“seien. Ein Rauswurf aus der Partei schien die einzige Konsequenz.

Eine Parallele zu seinem eigenen Fall sieht Sarrazin, den die SPD ebenfalls ausschließ­en wollte, nicht: „In meinen Fall hatte der SPD-Parteivors­tand wegen der Publikatio­n des Buches ,Deutschlan­d schafft sich ab’ meinen Parteiauss­chluss betrieben. Im Verlauf der mündlichen Verhandlun­g vor der Parteischi­edskommiss­ion wurde der Antrag zurückgezo­gen, weil die Schiedskom­mission in der Verhandlun­g deutlich machte, dass sie in meinem Buch keine Passagen entdecken konnte, die den Parteistat­uten oder tragenden Grundsätze­n der SPD widersprec­hen.“

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FOTO: DPA Der frühere Berliner SPD-Politiker Thilo Sarrazin (71).

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