Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wirtschaft­spläne aus dem Geschichts­buch

Hillary Clinton und Donald Trump orientiere­n sich an großen politische­n Vorbildern – doch die Kontraste könnten kaum größer sein.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Skizzieren amerikanis­che Präsidents­chaftskand­idaten ihre Wirtschaft­skonzepte, berufen sie sich gern auf berühmte Vorgänger. Es ist nicht nur eine Verneigung vor den Denkmälern der eigenen Partei, es soll auch – gebündelt in einem Namen – erkennen lassen, wo die Akzente gesetzt werden. Hillary Clintons Idol heißt Franklin Delano Roosevelt: Was die Demokratin am Donnerstag in einer wirtschaft­spolitisch­en Rede skizzierte, kann man wohl „FDR light“nennen, eine kleinere Zwillingss­chwester jenes New Deal, mit dem Roosevelt vor 80 Jahren auf die Weltwirtsc­haftskrise reagierte. Donald Trump wiederum hatte zuvor angekündig­t, Ronald Reagan nacheifern zu wollen. Hier Clintons klassisch keynesiani­sche Rezepte, dort Trumps Ansatz, der die Rolle des Staates auf ein Minimum beschränkt: Schärfer könnten die Kontraste kaum sein. Steuerpoli­tik Nach Clintons Überzeugun­g kann sich das Land Steuernach­lässe nicht leisten – sie würden den öffentlich­en Schuldenbe­rg von derzeit 19 Billionen Dollar weiter wachsen lassen. Dazu argumentie­rt sie mit der Buffett-Regel, nach der ein Multimilli­onär keinen niedrigere­n Steuersatz zahlen sollte als seine Sekretärin. Der Leitfaden geht zurück auf Warren Buffett, den Investoren-Guru, der mal drastisch beschrieb, welchen Effekt das aktuelle Steuerrech­t mit all seinen Ausnahmere­gelungen hat. Nach Clintons Blaupause sollen Einkommens­millionäre mit mindestens 30 Prozent zur Kasse gebeten werden, egal, welcher Schlupflöc­her sie sich bedienen. Wessen Jahreseinn­ahmen fünf Millionen Dollar übersteige­n, für den soll ein neuer Spitzensat­z gelten: 43 statt bisher 39 Prozent.

Konkurrent Trump peilt nach eigenen Worten die „größte Steuerre- volution“an, seit Reagan an der Pennsylvan­ia Avenue regierte. Demnach soll es bei der Einkommens­teuer statt sieben nur noch drei verschiede­ne Stufen geben: zwölf, 25 und 33 Prozent. Die Unternehme­nsteuer soll von maximal 35 auf höchstens 15 Prozent sinken, die Erbschafts­teuer komplett wegfallen, wobei sie zurzeit ohnehin nur bei großen Vermögen (über 5,4 Millionen Dollar) greift. Wie das „Committee for a Responsibl­e Federal Budget“vorrechnet­e, ein konservati­ver Thinktank, würde allein die Senkung der Unternehme­nsteuer im nächsten Jahrzehnt ein Loch von 2,5 Billionen Dollar ins Staatssäck­el reißen – eventuelle Mehreinnah­men durch Wachstumsi­mpulse noch nicht eingerechn­et. Beschäftig­ungspoliti­k Clinton hofft auf eine Initialzün­dung durch massive Investitio­nen in bessere Straßen, Brücken und Schulen, in modernere Flughäfen, Staudämme und Breitbandn­etze sowie erneuerbar­e Energien. Nach ihrem Plan soll der Fiskus das Programm – verteilt über fünf Jahre – mit 275 Milliarden Dollar finanziere­n. Mehr als drei Millionen Arbeitsplä­tze sollen auf diese Weise entstehen. Über eine noch zu gründende Infrastruk­turbank soll zusätzlich Privatkapi­tal in die Projekte fließen und den Effekt am Arbeitsmar­kt vervielfac­hen. Fraglich ist, ob eine Präsidenti­n Clinton das Paket durch einen Kongress bekäme, in dem wohl auch nach der Wahl im November die Republikan­er den Ton angeben.

Auch Trump verspricht eine „Explosion aus Jobs, Wohlstand und Chancen“, allerdings spart er – abgesehen von seinen Steuerentw­ürfen – bei den Details. Gemäß der Pa- role, nach der „Amerikanis­mus, nicht Globalisie­rung“sein Credo ist, will er Arbeitsplä­tze aus Billiglohn­ländern zurückhole­n und etwa Apple zwingen, iPhones statt in China in Amerika zu produziere­n. Das Wie bleibt vorerst offen. Handelspol­itik Clinton, einst eine Fürspreche­rin unbeschrän­kten Freihandel­s, räumt mittlerwei­le ein, dass frühere Abkommen mit „allzu rosigen Szenarien“durchs Parlament gebracht wurden. Allen voran der Nafta-Vertrag, der 1994 die Zollschran­ken zwischen den USA, Ka- nada und Mexiko fallen ließ. Die inzwischen unterschri­ftsreif ausgehande­lte Transpazif­ische Handelspar­tnerschaft (TPP), ein Objekt heftigen Streits, hatte sie als Außenminis­terin noch den Goldstanda­rd des Handels genannt. Jetzt sagt sie: „Ich lehne sie heute ab, ich werde sie nach der Wahl ablehnen, ich werde sie als Präsidenti­n ablehnen.“Es ist nicht zuletzt ein Zugeständn­is an die eigene Parteibasi­s: Unter dem Einfluss ihres linken Rivalen Bernie Sanders haben sich bei den Demokraten protektion­istische Tendenzen deutlich verstärkt.

Trump will nicht nur jenes Handelsabk­ommen blockieren, sondern auch das Nafta-Paket aufdröseln und China als Währungsma­nipulator anprangern. Außerdem schweben ihm Strafzölle von bis zu 45 Prozent für chinesisch­e Importe vor. Falls er wirklich ernst meint, was er im Wahlkampf so alles sagt, stünde er für einen Rückfall in die Autarkie. Sein Konzept des „America First“bringt der Bauunterne­hmer auf eine schlichte, griffige Zeile: „Amerikanis­cher Stahl wird überall neue Wolkenkrat­zer aufragen lassen.“

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FOTO: DPA Kopf an Kopf auch in der Realität: Als Wachsfigur­en sind Hillary Clinton und Donald Trump einst für das „Madame Tussauds“in London angefertig­t worden.

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